0016 - Ich gewann die letzte Runde

länger als gewöhnlich unterwegs war.
    Wir nahmen an, daß die Einbrecher die Einteilung der Rundgänge studiert hatten, eine nicht allzu schwierige Sache, wenn man einige Nächte Geduld hatte und aufpaßte, wann die Taschenlampen der Wächter aufblitzten. Sie hatten jede Minute genau auskalkuliert, um volle zwei Stunden Zeit für ihr Unternehmen zu haben, aber ihr Plan klappte nicht wegen jener Verzögerung im Rundgang des dritten Wachmanns.
    Hätte der Mann bereits in der Portiersloge bei seinen Kollegen gesessen, so hätte niemand das Zerklirren der Scheibe gehört. So aber hörte er es. Er öffnete die Tür zum Hof.
    Was er dort gesehen hatte, konnten wir nur vermuten. Jedenfalls hörten seine Kollegen einen Schuß. Sie sprangen auf, rannten nach hinten. Das Außenamt ist ein weitläufiges Gebäude. Die Portiersloge liegt unmittelbar hinter dem Haupteingang. Sie brauchten ein paar Minuten, um zum Hof zu gelangen. Alles, was sie noch fanden, war die Leiche ihres Kollegen und die baumelnde Hakenstrickleiter vom Fenster der ersten Etage.
    Wir konnten noch ein wenig mehr rekonstruieren. Der Wächter war in den Hinterkopf geschossen worden, offenbar von der Mauer aus, während er auf dem Hof stand und sein Gesicht zur Hinterfront des Hauses drehte. Seine Pistole lag neben ihm, und es fehlte ein Schuß im Magazin. Seine Taschenlampe brannte noch, als man ihn fand. Der Einschlag der Kugel war deutlich im Mauerwerk zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk zu sehen. Offenbar hatte er auf den Fassadenkletterer geschossen, ihn aber verfehlt. Vermutlich hatte er jedoch nicht sehr weit danebengeschossen, so daß wir annahmen, der Kletterer befand sich, irritiert von der Panne mit der Glasscheibe, bereits auf dem Rückzug.
    Der Wächter war durch eine Kugel aus einem kleinkalibrigen Gewehr getötet worden. Besonders interessant war, was einer der beiden Wachmänner uns über den Schrei sagte: »Wissen Sie, es war gar kein Schrei. Es hörte sich mehr an wie ein Kreischen. Ich glaubte beinahe, es war ein hysterisches Frauenzimmer, das da kreischte, aber sie kreischte verdammt laut.«
    Auf der Straße, dort, wo ihre Autos gestanden haben mußten, fanden wir noch etwas: eine Mikrokamera, geladen mit einem Film. Diesmal wollten sie offenbar fotografieren. Fathgown, der mit einem maßgeblichen Mann vom Außenamt sprach, zog ein bedenkliches Gesicht. Er sagte uns, daß in dem Zimmer, in das sie einbrechen wollten, beachtlich wichtige Dokumente verwahrt würden und daß es bösen Ärger gegeben hätte, wenn der Diebstahl wirklich durch Fotografie durchgeführt worden wäre.
    Ich ließ mich von einem Fenster der vierten Etage an einem Seil die Mauer hinab und untersuchte sie, besonders an der Stelle des Kugeleinschlages. Ein wenig darunter zeigte der Verputz spärliche dunkle Flecke, wirklich nur ein paar Tropfen, aber ich hatte sofort den Verdacht, daß es sich um Blut handeln könnte. Ich ließ mir einen Hammer zuwerfen, schlug den Verputz sorgfältig ab und sammelte ihn in meinem Taschentuch.
    »Lassen Sie das untersuchen«, sagte ich zu Fathgown. Er schickte es per Eilboten an das chemische Kriminallabor.
    Phil war unterdes mittels der Leiter zu dem vergitterten Fenster des Hochparterre geklettert. Er stand auf dem Fensterbrett, hielt sich an den Gittern und untersuchte, den Kopf in den Nacken gelegt, die weiteren Aufstiegsmöglichkeiten.
    »Na?« rief ich hinauf.
    »Da«, sagte er, »der Antennenhalter und mit einer weiten Grätsche die Ecke dort als Fußstütze, aber ich weiß nicht, wie ich von hier aus hinkommen soll. Es ist zu weit.«
    »Spring!« rief ich.
    »Du bist verrückt«, erwiderte er schlicht.
    Ich kletterte die Leiter hoch. Er rückte, und ich nahm seinen Platz ein. Ja, er hatte recht. Die Stützen waren viel zu schwach für einen sicheren Sprung.
    »Wenn wir’s nicht können, vielleicht können es die Leute, die so etwas gelernt haben. Mr. Face freut sich vielleicht über ein paar Dollar, die er nebenbei verdienen kann.«
    Wir begaben uns wieder auf den sicheren Erdboden.
    »Geben Sie uns einen Wagen«, bat ich Fathgown. »Wo liegt Laborfleth?«
    »Ein Dorf im Norden. Wollen Sie hin?«
    »Ja, dort hausen ein paar Leute, die uns vielleicht vormachen können, wie man an einer praktisch haltlosen Wand hochtumt. Wir holen sie her und probieren es aus.«
    »Gut, nehmen Sie meinen Wagen.«
    Wir zischten ab. Sobald wir aus Washington heraus waren, wurde die Gegend ländlich. Schließlich erreichten wir ein paar