0016 - Ich gewann die letzte Runde
ich. Darum bitte ich Sie, mich zu begleiten.«
Wenn ich ehrlich sein soll, so gefiel mir die Lanno-Bar nicht besonders. In New York sind selbst die exklusivsten Läden noch recht laut. Diese Bar, in der sich alle Leute benahmen wie englische Lords, war so fein, daß man sich scheute, laut zu atmen. Die Ober schwebten auf lautlosen Sohlen und wirkten, als hätten sie mindestens einen Onkel im Senat. Von leichtlebigen Damen, die im allgemeinen die Bars zu bevölkern pflegen, konnte hier keine Rede sein. Die einzige Frau weit und breit war die Garderobenfrau, und sie zählte mindestens sechzig Jahre.
Wir drei ließen uns in die schweren Ledersessel an einem Tisch nieder, von dem aus wir einen guten Überblick über den ganzen Betrieb hatten.
Ein Kellner überreichte uns die Weinkarte, die so dick war wie ein Filmmanuskript. Fathgown bestellte auf Staatskosten eine Sache, die ein halbes Wochengehalt kostete. Einen Whisky zu nehmen, was ich viel lieber getan hätte, war hier nicht möglich. Wir nahmen den ersten Schluck mit jenem Zeremoniell, das bei teuren Getränken nun einmal üblich ist.
»Wir haben Glück«, flüsterte uns Fathgown zu, als er sich mit seinem Glas zu uns herüberbeugte. »Am Tisch neben dem vierten Pfeiler sitzt der Mann, den ich zu sehen hoffte.«
Wir blickten uns unauffällig nach dem Mann um. Er war mittelgroß, breitschultrig, hatte glattes, strähniges blondes Haar und ein ausdrucksloses Gesicht.
Fathgown klärte uns über die Funktion des Mannes auf. Er gehörte einer Botschaft an und führte den Titel eines zweiten Handelssekretärs, aber der Washingtoner FBI hielt ihn für den Kopf der Spionageorganisation seines Landes.
»Wir haben Beweise dafür«, sagte er.
»Und warum heben Sie ihn nicht aus?«
Der Chef der politischen Abteilung lächelte fatal: »Diplomatische Immunität. Wir könnten ihn nur durch die Regierung als unerwünscht abschieben lassen, aber dann kommt ein Neuer, den wir erst testen müssen. So ist es einfacher. Er weiß, daß wir wissen, und wir wissen, daß er weiß, daß er uns nicht täuschen kann. Offiziell grinsen wir uns freundlich an, und inoffiziell versuchen wir, ihm seine Agenten wegzufangen, und er versucht, uns Schnippchen zu schlagen.«
Fathgown verbreitete sich weiter über das Thema. Überhaupt, dieses ganze Washington mit seinen vollendeten Manieren, seinen prächtigen Empfängen, seinem diplomatischen Protokoll schien nur die eine Seite der Beziehungen zwischen den Staaten zu sein. Unter der Oberfläche brodelten Intrigen und andere Dinge, die einen Diebstahlversuch, veranlaßt von der Botschaft eines Landes, durchaus als selbstverständliche Möglichkeit erscheinen ließen.
Phil, der so saß, daß er den Geheimdienstmann am besten sehen konnte, unterbrach Fathgown in seiner Erzählung.
»Eben ist jemand an seinen Tisch getreten.«
Der Washingtoner warf nur einen Blick hin.
»Uninteressant«, entschied er. »Gesher, Korrespondent vom ›Daily Express‹. Journalisten treiben sich hier die Masse herum.«
»Kennen Sie eigentlich alle Leute?« fragte ich.
»Soweit sie mit der Diplomatie zu tun haben, fast alle«, antwortete er. »Gehört zur Berufsausbildung.«
Der Geheimdienstmann jenes Landes forderte den Journalisten nicht auf, sich zu ihm zu setzen. Gesher entfernte sich nach ein paar Sätzen.
Eine halbe Stunde später trat ein gebückter Bursche an jenen Tisch, dem unser Interesse galt. Er trug zwar auch den vorschriftsmäßigen Smoking, aber das Kleidungsstück wirkte auf seinem Körper, als habe er es sich geliehen. Er war mager und ungepflegt. Irgendwie erschien es uns so, als spräche der angebliche zweite Handelssekretär in scharfem Befehlston mit ihm. Er blieb auch nur gute zehn Minuten. Dann ging er.
»Sollen wir?« fragte ich.
»Einer«, antwortete Fathgown. »Unser Freund bleibt noch. Vielleicht erwartet er noch Besuch.«
Phil erklärte sich bereit, die Verfolgung des Mannes im schlechten Smoking aufzunehmen. Fathgown und ich blieben zusammen bei dem teuren Wein.
Volle zwei Stunden warteten wir. Während dieser Zeit saß unser Freund stur an seinem Tisch, sah stumpf vor sich hin und trank nur hin und wieder von seinem Glas.
Erst nach Mitternacht erhielt er noch einmal Besuch. Ein größerer Gegensatz als zwischen dem ersten und zweiten Besucher war kaum denkbar. Dieser hier war ein schlanker großer Mann mit vollem grauem Haar, einem grauen, recht buschigen Schnurrbart und einer schweren Hornbrille. Sein Smoking war vollendet
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