0021 - Satans eigene Schrift
zu urteilen kaum aus dieser Gegend stammten.
Claves ging zur Rezeption, wo er vom Wirt des Gasthofs persönlich begrüßt wurde.
»Ah, guten Tag, Monsieur. Da sind Sie ja. Ich hatte schon auf Sie gewartet. Es ist alles für Sie vorbereitet. Sie erhalten eins meiner schönsten Zimmer.«
Claves stutzte, denn er hatte sich überhaupt nicht angemeldet. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Doch ein rätselhafter Schleier lag über seinen Gedanken, und so ergab er sich in sein Schicksal und empfand es schließlich sogar als ganz normal, daß man ihn erwartet hatte.
Ein Hausbursche führte den Mann aus Paris auf sein Zimmer.
Ganz in Gedanken versunken gab er dem dienstbaren Geist ein fürstliches Trinkgeld und verriegelte dann die Tür hinter ihm.
Er nahm seine Reisetasche und stellte sie unausgepackt in den Schrank. Dann spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, um sich zu erfrischen. Endlich verließ er sein Zimmer, schloß die Tür wieder ab und ging hinunter in die Halle, wo er sich allein an einen Tisch setzte, der weitab von den anderen stand.
Die starr Dasitzenden nahmen keine Notiz von dem Neuankömmling und stierten weiter ausdruckslos vor sich hin.
Interessiert beobachtete der Wirt die seltsame Gesellschaft.
Schließlich wandte er sich kopfschüttelnd ab und widmete sich weiter seiner Arbeit.
Ein verrücktes Volk, diese Leute aus der Großstadt.
***
Als würde eine stumme Todesdrohung von ihr ausgehen, war jegliches Leben und jegliches Geräusch in der Nähe der alten Kirche verstummt. Hatte noch kurz vorher munteres Vogelgezwitscher die Luft erfüllt und hatten noch Schwalben ihre Kreise am Abendhimmel gezogen, so war es nun totenstill geworden.
Der Wind, der am Tag um die geborstenen Mauern geweht hatte, war eingeschlafen. Kein Blättchen regte sich.
Nach und nach wurde es in der Kirche lebendig. Ein Schlurfen und Rascheln erklang. Es kam aus der Krypta der Kirche.
Bald tauchte in dem finsteren Gang, der hinunter in die Gewölbe führte, der Kopf des Alten auf.
Er ging tief gebeugt und schleppte einen Sack auf dem Rücken. Bei jeder Bewegung klirrte es leise.
Der Alte schaute sich mißtrauisch um, und als er nichts Verdächtiges bemerkte, stieg er hinauf zum Altar.
Dort setzte er den Sack ab und öffnete ihn. Er griff hinein, und einige sonderbare Gegenstände kamen zum Vorschein. Da waren Kerzenleuchter mit dazugehörigen schwarzen Kerzen.
Dann eine Figur, die in ihrer Fremdheit erschreckend wirkte. Es war eine Fledermaus, die auf ihre halb zusammengefalteten Flügel gelehnt aufrecht dastand. Was diese Fledermausstatue von anderen unterschied, war die Tatsache, daß sie einen Menschenkopf besaß.
Das Gesicht hätte dem Satan persönlich gehören können.
Schließlich holte der Alte aus dem Sack auch noch einige Silberstäbe, die er auf einem Gestell zu einem Rost zusammenlegte. Diesen Rost stellte er auf den Altar. Auf den Rost setzte er eine große niedrige Schale aus Gold.
Nun bückte er sich, schob den Sack in eine Öffnung im Altarstein und holte aus einer geheimen Nische die Bibel des Bösen hervor.
Diese legte er vor den Rost auf den Stein und schlug das schwarze Tuch zurück. Augenblicklich bildete sich wieder die weißleuchtende Aura über dem Altarstein.
Der Alte schlug die Bibel auf und begann darin zu lesen.
Nach einigen Sekunden trat er einen Schritt zurück, hob die Arme und begann einen makabren Singsang.
»Satan erhöre mich! Satan erhöre mich! Schau gnädig herab auf deinen Diener! Hilf ihm, dir Ehre zuteil werden zu lassen! Erhöre ihn! Ohne dich ist er so machtlos! Gib ihm die Kraft, seine Aufgabe zu erfüllen!«
Für einen Moment schwieg der Alte. Er stand vorgebeugt da, als würde er auf eine geheimnisvolle Stimme aus dem Nichts lauschen.
Dann straffte er sich erneut und hob wieder die Arme.
»So höret denn, meine Getreuen, erhebt euch und folget meinem Ruf! Wir wollen uns hier versammeln, um den Satan zu ehren! Kommt her! Beelzebub erwartet euch! Ihr solltet seine Diener und Dienerinnen sein! Kommt, wartet nicht länger! Die Zeit ist kurz! Bald wird das Ziel erreicht sein!«
Und mit einer letzten Kraftanstrengung holte er noch einmal tief Luft und kreischte es hinaus wie einen Hilfeschrei.
»Kommt!«
***
Es war schon längst dunkel, als Zamorra endlich in Fortreaux eintraf. Er hatte sich noch in Nantes einige Zeit aufgehalten, hatte dort das Kloster besichtigt und sich vom Abt in die Kammer führen lassen, in der man die Satansbibel aufbewahrt
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