0021 - Satans eigene Schrift
erzählen.«
***
Die Sonne stand im Zenit. Die malerische Landschaft lag da wie vergoldet.
Durch das geborstene Dach hatten auch einige Sonnenstrahlen ihren Weg in die Halbdämmerung der alten Kirche gefunden. Sie tauchten die Gestalt, die in einem langen Brokatmantel vor dem Altar lag, in gleißendes Licht.
Es war der alte Hexenmeister. Er mußte schon Stunden so gelegen haben. Jetzt begann er sich zu rühren.
Etwas Schreckliches war passiert. Einer der Satanssklaven war gestorben. Und er als ihr Führer hatte es sofort gespürt. In seinem kranken Hirn empfand der Alte so etwas wie Ehrfurcht und Dankbarkeit dafür, daß man ihm diese teuflischen Fähigkeiten verliehen hatte.
Der Tod des Teufelsdieners war ein böses Zeichen. Es drohte Gefahr.
Doch von wem?
Wer hatte dem Höllenfürsten und Herrn über alle Dämonen der Finsternis etwas entgegenzusetzen?
Er mußte den Meister selbst rufen. Mußte ihn erscheinen lassen, um ihn um Rat zu fragen.
Eilig kam der Alte auf die Füße. Schwer stützte er sich auf den Altarstein. Vor seinen Augen tanzten wilde Feuerkreise. Das Alter machte sich bemerkbar.
Immer noch hing über der Bibel und dem Altarstein die weißflimmernde Aura. Der Alte blätterte in dem Buch, bis er die richtige Stelle gefunden hatte.
Andächtig las er sie. Dann erhob er seine Stimme zu einem flehenden Schrei.
»Satan, Fürst der Hölle, hilf! Hilf deinem Diener, deine Werke zu vollenden! Gib ihm die süße Lust der Rache! Verlasse mich nicht! Satan, komm!«
Wieder strich ein eisiger Wind durch die alte Kirche. Gespenstisch pfiff er durch die Mauerritzen.
Die Aura über dem Altar geriet in Bewegung. Sie verformte sich, wurde dichter, bekam genau erkennbare Konturen, bis aus ihr die Fratze des Teufels entstanden war. Die brennenden Augenhöhlen waren auf den alten Mann unter ihr gerichtet.
»Was willst du, Sklave!« donnerte eine urweltliche Stimme durch das langgestreckte Kirchenschiff. »Noch hast du nicht die dreizehn Herzen, die du mir zum Opfer bringen sollst, du Schwächling!«
Der alte Mann duckte sich unter den anklagenden Worten. Er wand sich wie ein getretener Hund. Seine Stimme klang heiser vor Angst und Aufregung.
»O Fürst, es ist etwas Schreckliches geschehen. Einer deiner Diener ist umgekommen. Es sieht so aus, als würde schlimme Gefahr drohen. Was soll ich machen?«
Das Gesicht über dem Altar lachte.
»Was soll ich machen?« äffte es den Alten nach. »Mir scheint, du hast deinen Meister gefunden. Denn höre, der Geistertöter Zamorra hält sich in diesem Dorf auf. Hast du ihn etwa gerufen?«
»Nein, nein«, beeilte sich der Greis zu versichern. »Wie soll ich ihn rufen, wenn er unserer Sache nur schaden würde? Wenn er wirklich hier ist, dann müssen wir uns beeilen.«
»Nicht wir – du! Ich werde dir noch einmal helfen. Doch versagst du trotz dieser Hilfe, so wird deine Seele mir gehören! Merke es dir! Der Satan kennt keine Gnade!«
Nach dieser Warnung zerfloß das Gesicht, und die Aura nahm wieder ihre vorherige Form an.
Der Alte stand wie vom Donner gerührt. Er konnte das Zittern in seinen gebrechlichen Knochen nicht unterdrücken. Unter einem verzweifelten Aufseufzen sank er zusammen und murmelte seinen Dank.
Heute, abend, ja, da wollte er es versuchen. Da würde er seine wilde Heerschar ausschicken, um die fehlenden Herzen zu besorgen.
Und morgen – morgen hatte er dann sein Ziel erreicht.
Ja, so würde es geschehen.
***
Sofort nach dem Mittagessen zog Zamorra los. Er schärfte Nicole ein, im Hotel zu bleiben und sich auszuruhen. Er würde in allerhöchstens zwei Stunden wieder dasein.
Zamorra ließ sich von einem Bauern, der ihm auf dem Dorfplatz entgegenkam, die Lage der alten Häuser erklären, in denen angeblich niemand mehr wohnen sollte. Dann machte er sich auf den Weg dorthin.
Zamorra hielt sich im Schutz einiger Büsche am Straßenrand für den Fall, daß irgendwer doch die Straße beobachtete. So leise wie möglich näherte er sich dem ersten Haus. Er fand eine Lücke im Zaun, der das Grundstück umgab, und schlich in den Garten. Die Eingangstür war verriegelt. Deshalb umrundete er das Haus und probierte es am hinteren Eingang.
Hier hatte er mehr Glück. Die Tür ließ sich aufdrücken, wenn auch unter einigen Mühen. Die Luft in dem verwahrlosten Gebäude war muffig und abgestanden. Bei jedem Schritt durch den schmalen Gang, der zur Treppe in das obere Stockwerk führte, wirbelte Zamorra dicke Staubwolken auf.
Nein, hier brauchte er
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