0022 - Der Tod saß uns im Nacken
Whisky besaß? Aber Miss Sullighan vermisste nicht einen einzigen Cent.
In diesem Augenblick unterbrach ein Geräusch meine Gedanken. Es war nicht jenes Geräusch, das ich erwartet hatte: krachende Zweige unter den Stiefein von Büschen, wenn sie jemand zur Seite streift. Es war etwas ganz anderes.
Es war ein zweimaliges, echoloses kurzes und scharfes Knallen, zwei Schüsse, die abgefeuert wurden, aber so weit entfernt, dass man es ebenso gut für einen Irrtum halten konnte.
Neben mir zuckte Phils Kopf hoch.
»Waren das Schüsse?«, fragte er.
Also kein Irrtum. Ich nickte.
»Vielleicht galten die Schüsse einer Klapperschlange, vielleicht gingen sie überhaupt nur aus Versehen los.«
Bis um drei Uhr morgens regte sich nichts. Über dem Himmel begann schon eine Ahnung von Grau heraufzuziehen. Ich reckte die vor Kälte steifen Glieder.
»Geben wir es auf, Phil«, schlug ich vor. »Heute Nacht erscheint das Bohrturmgespenst nicht mehr.«
Wir holten die Pferde, tasteten uns mit Hilfe von Taschenlampen aus dem Hell Ground hinaus, in dem es jetzt, da der Mond untergegangen war, völlig finster war. Unsere Pferde fielen von selbst in einen beachtlichen Galopp, sobald sie den Boden der Prärie unter den Hufen fühlten.
Immerhin war es fast hell, als wir Crowbeech Ranch erreichten. Yookerman war schon auf den Beinen. Er und ein paar Cowboys waren damit beschäftigt, einige Pferde zu beschlagen, die es nötig hatten.
»Ausflug gut bekommen?«, fragte er gelassen.
»Wir hatten uns mehr davon versprochen.«
»Haben Sie Milton Graves gesehen?«, erkundigte er sich wie beiläufig und feilte an dem Huf eines Rappen herum.
»Was sagen Sie da?«, fragte ich zurück.
Yookerman ließ das Bein des Gaules los und richtete sich auf.
»Alle reden sie davon, und ich dachte mir, Sie müssten es als Erster wissen, ob an dem Gerede etwas dran ist.«
»Worüber reden Sie?«
»Na, dass Milton Graves nachts heimlich seinen Bohrturm im Hell Ground in Betrieb setzt.«
»Aber Graves ist doch tot!«
Der Rancher kratzte sich mit der Feile am Hinterkopf. »Ich habe ihn als Leiche nicht gesehen.«
Ich musste lachen. »Reden wir nicht mehr davon, Mr. Yookerman«, schlug ich vor. »Sie können sich fest darauf verlassen, dass Milton Graves nicht mehr unter den Lebenden weilt.«
»Wer hat dann seinen Bohrturm in Betrieb gesetzt?«
»Woher wollen Sie wissen, dass im Hell Ground gebohrt worden ist?«
»Alle sagen es. Mein Nachbar Rowernick rief mich an und erzählte, in der Nacht sei im Hell Ground gebohrt worden, und nun hätten sie dort auch Öl gefunden.«
Nach unserem missglückten Ausflug hatten wir die Absicht, ein paar Stunden zu schlafen, und wir hatten an etwas mehr als drei Stunden gedacht, aber es wurden nicht mehr, denn Inspektor TTiomas Land weckte uns gegen acht Uhr mit heftigem Klopfen an meine Tür.
»Kommen Sie herein!«, sagte ich schlaftrunken. Phil, der ebenfalls wach geworden war, kam im Schlafanzug aus dem Nebenzimmer.
»Was ist denn los, Inspektor?«, gähnte ich und rieb mir die Augen.
Er war ungewöhnlich bleich und ziemlich aufgeregt.
»Ich habe einen Toten gefunden«, sagte er.
Ich setzte mich senkrecht im Bett hoch.
»Wo?«, fragte ich.
»In John Stenberrys Hütte. Praktisch an dem gleichen Fleck, an dem die Leiche Milton Graves' lag.«
***
Ja, er hatte Recht. Der Mann lag nur wenig von den Kreidestrichen entfernt, die noch immer in dem Blockhaus die Lage der Leiche von Milton Graves andeuteten. Seiner Kleidung nach, die völlig abgerissen war, musste er ein Tramp sein, ein Landstreicher übelster Sorte. Sein Gesicht, stoppelbärtig und von roten Haaren, in die sich Grau mischte, umrahmt, war nichtssagend. Seine Füße, ohne Schuhe, steckten in durchlöcherten Strümpfen.
Land hatte ihn gefunden, als er heute Morgen zum Blockhaus gekommen war, weil ihm das Erbrechen des Polizeisiegels keine Ruhe gelassen hatte. Er war dann sofort zur Crowbeech Ranch gefahren, hatte von dort aus seine Kommission alarmiert, so dass seine Leute mit dem Einsatzwagen praktisch gleichzeitig mit uns ankamen.
Der Fotograf machte seine Aufnahmen, dann beugte sich der Polizeiarzt über den Mann. Seine Untersuchung dauerte nicht lange.
»Zwei Brustschüsse, beide genau ins Herz. Er war sofort tot. Hier am Kopf eine Platzwunde von einem Niederschlag. Kann sein, dass er beim Fallen irgendwo angeschlagen ist, aber eigentlich möchte ich eher sagen, dass er niedergeschlagen und betäubt wurde, bevor die Schüsse ihn
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