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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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eigentlich nicht mehr gab.
    ***
    Der kleine Saal des Dorfgasthauses war kalt und ungemütlich. Zwei Kanonenöfen, in denen eilends das Feuer angefacht worden war, vermochten nicht, den Saal in der kurzen Zeit zu erwärmen.
    Der Gemeinderat hatte die Versammlung erst vor zwei Stunden einberufen. Alle männlichen Bürger von Soranges waren anwesend.
    Außerdem Professor Zamorra und Bill Fleming. Georges Levin hatte bei den Ratsherren durchgesetzt, daß die beiden Gäste an der Versammlung teilnehmen durften.
    Allerdings hatten sie weder Stimmrecht, noch durften sie sich zu Wort melden. Lediglich das Zuhören war ihnen gestattet.
    Zamorra und Bill Fleming saßen an einem kleinen Tisch in der Ecke neben dem Saaleingang. Levin gehörte zum Gemeinderat, hatte vorn an dem langen Tisch Platz genommen, der vor den Versammlungsteilnehmern quergestellt worden war.
    Dumpfes Stimmengemurmel erfüllte den großen Raum. Erste Rauchschwaden von Zigarren und Tabakspfeifen stiegen zur gebräunten, holzverschalten Decke empor. Die Fenstervorhänge waren beiseitegezogen. Doch das schwache Tageslicht reichte nicht aus.
    Altertümliche Wandlampen streuten zusätzliche Helligkeit aus.
    Zwei Kellnerinnen hatten alle Hände voll zu tun, um die Männer mit Rotwein, Pastis und Cognac zu versorgen.
    Zamorra und Bill Fleming blieben bei Cognac. Denn der war am besten geeignet, die vom Fußboden aufsteigende Kälte vergessen zu lassen. Die beiden Männer verhielten sich so zurückhaltend wie möglich, wechselten nur wenige Worte und bemühten sich, trotz ihrer Gespanntheit nur ausdruckslose Mienen aufzusetzen. Die anfänglichen mißtrauischen Blicke der Dorfbewohner waren gewichen. Sie hatten gesehen, daß die Fremden zusammen mit Georges Levin den Gasthof betreten hatten. Das genügte vorerst. Die Aufmerksamkeit der Leute konzentrierte sich nun auf den Gemeinderat, der inzwischen vollzählig versammelt war.
    Das helle Klingeln einer Rednerglocke übertönte das Stimmengewirr. Sofort kehrte Ruhe ein. Alle Blicke richteten sich nach vorn, zum Tisch des Gemeinderates.
    Der Bürgermeister von Soranges erhob sich und stellte die Glocke auf dem Tisch ab. Er war ein großer, fülliger Mann mit Halbglatze und einem gutmütigen, breiten Gesicht.
    »Messieurs!« rief er mit dröhnender Stimme. »Sie alle kennen den Grund unserer Zusammenkunft. Ich brauche Sie über Einzelheiten nicht erst zu informieren. Sie alle wissen, was der Tod des armen Robert Levin für unser Dorf bedeutet. Ich will mich deshalb nicht mit langen Vorreden aufhalten. Ich bitte um Ihre Vorschläge, Messieurs. Was können wir tun, um das Unheil von Soranges abzuwenden?«
    Bill Fleming stieß Zamorra mit dem Ellenbogen an.
    »Kennst du eine bessere Suggestivfrage?« flüsterte der Amerikaner.
    Zamorra schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Im Saal setzte ein Raunen ein. Heftige, halblaute Diskussionen begannen. Wieder mußte der Bürgermeister mit seiner Glocke für Ruhe sorgen.
    »Hat denn niemand einen Vorschlag zu machen?«
    Der alte Duchelles hob den Arm, stand auf. Atemlose Stille kehrte ein. Alle kannten ihn, alle wußten, daß er der letzte gewesen war, den Robert Levin mit der Fähre übergesetzt hatte.
    »Wir müssen das Blutopfer bringen«, sagte Duchelles, »uns bleibt keine andere Wahl. Ich bitte den Gemeinderat, einen entsprechenden Beschluß zu fassen.«
    Der alte Mann setzte sich wieder.
    »Die Ratsmitglieder haben Ihre Worte zur Kenntnis genommen, Monsieur Duchelles«, sagte der Bürgermeister, und seine Miene war unbewegt. »Gibt es weitere Vorschläge?«
    Ein junger Bursche, der mit Gleichaltrigen in den hinteren Reihen saß, sprang erregt auf.
    »Vorschlag nennt ihr das?« schrie er erregt. »Was der alte Duchelles gesagt hat, ist eine Empfehlung zum Mord! Wollen Sie allen Ernstes darüber reden, Messieurs? Vergessen Sie nicht, daß wir im zwanzigsten Jahrhundert leben.«
    »Daran denken wir sehr wohl, Monsieur Manoir«, entgegnete der Bürgermeister spitz, »wir müssen aber auch daran denken, daß wir in Soranges leben. Ich glaube, Sie wissen, was ich damit sagen will. Der Tod von Robert Levin hat es uns deutlich vor Augen geführt. Haben Sie nun einen Gegenvorschlag zu machen, oder handelte es sich lediglich um eine Kritik, Monsieur Manoir?«
    Der junge Manoir, der besonders durch seinen flammend roten Haarschopf auffiel, war stehengeblieben.
    »Jawohl, ich habe einen Vorschlag!« rief er erregt. »Ich werde den Posten des Fährmanns übernehmen!«
    Alle Köpfe

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