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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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flogen herum. Entgeisterte Blicke trafen den Mann.
    Und in den meisten dieser Blicke war zu lesen, daß sie ihn für verrückt hielten.
    Der Bürgermeister hatte sich als erster von der Überraschung erholt.
    »Soll ich es so verstehen, daß Sie den Fährmannsposten ohne ein vorheriges Opfer antreten wollen, Monsieur Manoir?«
    »Allerdings!« schrie der Rothaarige wütend. »Ich tue es für den armen Robert, den ich gut kannte. Ich tue es für das ganze Dorf, und sogar für die zitternden alten Waschlappen dort vorn!« Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf die Gruppe der alten Bauern, mit denen Duchelles zusammensaß.
    Empörte Rufe wurden laut; Schimpfworte, die sich auf Manoirs Geisteszustand bezogen. Die Bauernsöhne unterstützten Manoir durch Beifallsrufe. Sie schienen stolz zu sein, daß es jemanden aus ihrer Mitte gab, der trotz Robert Levins Tod noch Mut aufbrachte.
    Diesmal kostete es den Bürgermeister einige Mühe, sich wieder Gehör zu verschaffen.
    »Monsieur Manoir!« rief er. »Sind Sie sich darüber im klaren, daß Ihr Vorschlag ebenfalls einem Opfer gleichkommt? Nur mit dem Unterschied, daß Sie sich selbst opfern?«
    »Unsinn!« konterte der junge Mann. »Irgendwann muß Schluß sein mit dem Spuk. Und ich werde die Kraft haben, den Mächten der Finsternis zu trotzen. Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Das hat Robert Levin auch gesagt«, antwortete einer der älteren Versammlungsteilnehmer.
    »Robert hat nicht genug darüber nachgedacht«, entgegnete Manoir, »und genau das habe ich getan. Ich weiß, wie ich mich selbst schützen kann.«
    »Wie denn?« schrie ein anderer. »Los, verrate uns dein Geheimrezept, Philippe Manoir!«
    »Ich denke nicht daran! Ich verdränge es sogar aus meinen Gedanken, damit die Dämonen es nicht herausfinden.«
    Gelächter erscholl. Und von neuem boshafte Bemerkungen, die den Geisteszustand des Rothaarigen betrafen. Aber Philippe Manoir ließ sich nicht beirren.
    »Ich habe einen Vorschlag gemacht!« brüllte er mit Stentorstimme um das Gemurmel zu übertönen. »Ich verlange, daß der Gemeinderat darüber abstimmt!«
    Mit seiner Klingel sorgte der Bürgermeister von neuem für Ruhe.
    »Wir werden über beide Vorschläge abstimmen«, erklärte er, sichtlich irritiert, »gibt es weitere Wortmeldungen?«
    Doch keiner hörte mehr auf ihn. Während die alten Männer über Manoirs vermeintliche Verrücktheit diskutierten, feierten die jungen Leute von Soranges ihren Helden mit lautem Beifallsklatschen. Die Männer des Gemeinderats steckten die Köpfe zusammen und debattierten angestrengt.
    Zamorra und Bill Fleming wechselten einen Blick.
    »Sie werden Manoirs Vorschlag zustimmen«, sagte der Professor leise, »denn ihnen klingt es noch in den Ohren, was er sagte. Keiner von ihnen kann es vor seinem Gewissen verantworten, einer Mordempfehlung zu folgen.«
    »Wenn sie es wirklich tun würden«, flüsterte Bill Fleming voller Grimm, »dann hätten sie morgen Polizei und Presse auf dem Hals. Ich würde nämlich dafür sorgen. Man kann doch nicht dulden, daß hier ein Mord mit offener Billigung geschieht.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Zamorra, »aber man muß auch die Reaktion der alten Leute verstehen. In ihrer Angst kennen sie keine Grenzen.«
    Bill Fleming schüttelte heftig den Kopf.
    »Da hört bei mir jedes Verständnis auf. Ich fühle mich direkt ins Mittelalter zurückversetzt.«
    In diesem Punkt konnte Zamorra nicht widersprechen.
    Minuten später wurde es wieder ruhig, als sich der Bürgermeister erhob.
    »Ich gebe das Resultat der Abstimmung bekannt«, verkündete er würdevoll, »es wurde geheim abgestimmt, wie es bei öffentlichen Ratssitzungen vorgeschrieben ist. Der Vorschlag von Monsieur Duchelles wurde bei drei gegen neun Stimmen abgelehnt.«
    Die jungen Männer klatschten Beifall.
    Der Bürgermeister ließ die Glocke klingen und sprach weiter.
    »Der Vorschlag von Monsieur Manoir wurde dagegen mit neun gegen drei Stimmen angenommen.«
    Erneuter Beifall brandete auf, lauter diesmal. Philippe Manoirs Freunde sprangen von ihren Stühlen auf und umringten johlend den rothaarigen jungen Mann, der mit verlegenem Lächeln dasaß.
    Professor Zamorra beschloß, mit Philippe Manoir ein ernstes Wort zu reden, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.
    ***
    Mit gleichbleibendem Brummen jagte der Citroën auf der vierspurigen Nationalstraße dahin. Wegen der Mittagszeit herrschte wenig Verkehr. Nicole kam zügig voran, ohne sich am Lenkrad übermäßig anstrengen zu

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