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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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betrachten.«
    Der Rothaarige schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich will keine Hilfe. Dies ist eine Sache, die ich selbst ausfechten muß. Ich spüre es, Professor: nur allein kann ich gegen die Dämonen bestehen. Wenn ein anderer dabei ist, wird meine innere Kraft unwirksam.«
    »Ich kann Sie zu nichts zwingen, Monsieur Manoir. Sie müssen selbst wissen, was Sie tun. Aber bitte denken Sie an meine Worte. Und wenn Sie sich doch noch anders entscheiden, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    »Danke«, sagte Manoir schroff, »ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Aber ich kann es nicht annehmen. Diese Sache fechte ich allein aus. Es gibt keinen anderen Weg, das weiß ich.«
    Professor Zamorra wandte sich ab. Nachdenklich ging er zurück zum Wagen. Im Grunde hatte er keine andere Reaktion von Manoir erwartet. Der junge Mann war nicht gerade ein Hitzkopf. Aber er war so sehr von seiner vermeintlichen Methode überzeugt, daß er sich in dieses Denken geradezu hineinsteigerte. Zwecklos, ihn davon abbringen zu wollen.
    Nein, es gab nur eine Möglichkeit, ihm zu helfen: man mußte ihn ständig beobachten. Und genau das hatte Professor Zamorra vor.
    Er fuhr zurück ins Dorf und hielt vor dem Pfarrhaus an, das sich unmittelbar neben der Kirche befand.
    Der Pfarrer war schon mit den Vorbereitungen der Trauerfeier für Robert Levin beschäftigt. Die Haushälterin des Dorfgeistlichen öffnete und führte Zamorra in die kleine Bibliothek des Pfarrhauses.
    Bill Fleming saß an einem Tisch, auf dem sich ledergebundene Folianten und lose Blätter von alten Chroniken türmten. Einen der Folianten hatte Fleming aufgeschlagen vor sich liegen. Im Lichtschein einer altmodischen Deckenlampe studierte er mit sichtlicher Spannung die Handschriften, die aus vergangenen Jahrhunderten stammten. Bis auf ein winziges Fenster waren sämtliche vier Wände des Raumes von Bücherregalen eingenommen, die bis zur dunkel gebeizten Holzdecke reichten.
    Es gab noch einen zweiten Stuhl. Zamorra setzte sich dem Freund gegenüber, ohne ihn bei seiner Lektüre zu stören.
    Erst nach einer Weile hob Bill Fleming den Kopf. Mit der flachen Hand schlug er auf den Folianten.
    »Das ist unfaßbar, sage ich dir!«
    »Du bist der Wahrheit auf der Spur?«
    »Allerdings. Es ist nicht einmal schwierig, die alten Texte zu lesen. Und der Pfarrer kennt die Geschichte des Dorfes sehr genau. Er sagt, er sei machtlos gegen die Ängste der Leute. Genauso machtlos, wie es seine Amtsvorgänger seit Jahrhunderten waren. Ich begreife das einfach nicht.«
    »Der Geistliche steht allein gegen eine Übermacht«, erklärte Zamorra, »und seine Gegner sind nicht erfaßbar. Sie lassen ihn zwar in Frieden, doch sie geben ihm auch keine Chance, den Kampf mit ihnen aufzunehmen.«
    »Nein, nein«, entgegnete Bill Fleming kopfschüttelnd, »diese Gegner, von denen du sprichst, gibt es nicht. Sie existieren im Aberglauben der Leute hier; ebenso wie die sogenannten Mächte der Finsternis, von denen auch in den Kirchenbüchern die Rede ist.«
    »Dann laß’ hören, wodurch der Aberglaube entstanden ist«, forderte ihn Zamorra auf.
    »Gern«, nickte Bill, »es läßt sich mit wenigen Worten zusammenfassen. Das Dorf Soranges ist fast tausend Jahre alt, wie ich festgestellt habe. Für mich hat sich die Reise in der Tat gelohnt. Die alten Chroniken sind eine prachtvolle Fundgrube. Nun zur Sache: bis vor etwa siebenhundert Jahren hausten auf der anderen Seite des Flusses Raubritter in einer Burg. Die Dorfbewohner wurden von diesen Raubrittern tyrannisiert und geknechtet. Das Ganze muß derart schlimme Formen angenommen haben, daß sich die Leute von Soranges eines Tages gegen die grausame Herrschaft auflehnten. Sie bewaffneten sich, überfielen die Burg bei Nacht und Nebel und töteten die Ritter mitsamt Gefolge. Die Burg wurde anschließend dem Erdboden gleichgemacht. Und danach fing das an, was ich als puren Aberglauben bezeichne. Angeblich soll damals nach dem Sieg ein Fluch durch den Dorfältesten ausgesprochen worden sein, wonach die Seelen der Raubritter wegen ihrer Schandtaten niemals zur Ruhe finden sollten. Und anschließend sollen dann die Dämonen der Raubritter jahrhundertelang Rache an den Dorfbewohnern geübt haben. Meiner Meinung nach ist es völlig eindeutig: die Dorfbewohner hatten ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Bluttat. Aus diesem schlechten Gewissen entstanden dann die Schauermärchen, mit denen sie sich gegenseitig Angst machten.«
    »Steht etwas darüber in den

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