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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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wieder, als sie den zwingenden Blick des alten Mannes spürte.
    Ihre Sinne waren nun vollends gelähmt. Sie dachte nicht mehr an das Dorf, das ja auf der anderen Seite des Flusses lag. Sie wußte nur, daß sie jede Anweisung ihres Begleiters ausführen mußte, daß es keine andere Wahl für sie gab.
    Wie in Trance stieß sie die Wagentür auf. Den Zündschlüssel ließ sie stecken, ohne darüber nachzudenken, warum sie dies tat. In dem morastigen Boden des Weges versanken ihre Füße bis zu den Knöcheln.
    Fourcher kam um die Motorhaube herum, reichte ihr die knochige Hand. Nicole griff zu, spürte nicht die eisige Kälte, die von dieser Hand ausging. Im Licht der noch eingeschalteten Scheinwerfer sah sie, daß der alte Mann dem Wagen mit der freien Hand einen Stoß versetzte.
    Lächelnd sah Nicole zu, wie die schwere Limousine langsam zur Seite kippte. Es erschien ihr völlig selbstverständlich, daß der Alte die Kraft besaß, um dies zu bewirken.
    Wie im Zeitlupentempo rutschte der Citroën die Grabenböschung hinunter, tauchte in dunkles, schlammiges Wasser, das kurz darauf schmatzend über der Karosserie zusammenschlug. Glucksende Luftblasen und kleine Strudel erschienen. Dann war auch das vorbei.
    »Kommen Sie«, drängte Fourcher, »es wird höchste Zeit.«
    Er zog Nicole mit sich, ließ ihr keine Gelegenheit, über den versunkenen Wagen nachzudenken. Doch sie konnte ohnehin nichts merkwürdiges dabei empfinden.
    Der knochige alte Mann führte Nicole auf einen Baumstamm zu, der quer über dem Graben lag. Der Stamm war glitschig und mit Moos bewachsen.
    Fourcher schien darüber hinwegzuschweben, leichtfüßig und völlig mühelos. An seiner Hand hatte auch Nicole keine Schwierigkeiten. Sie rutschte kein einziges Mal ab, obwohl sie wegen der Dunkelheit nicht einmal sehen konnte, wohin sie trat.
    Zwischen den hohen Bäumen war die Finsternis völlig undurchdringlich. Dennoch eilte der Alte zielstrebig voran, ohne auch nur einen Moment die Orientierung zu verlieren.
    Wenige Minuten später wurde es plötzlich heller.
    Fourcher verlangsamte seine Schritte und blieb schließlich stehen, als der Ursprung des Lichtscheins zu erkennen war.
    Verwitterte Mauerreste ragten von einer Waldlichtung auf. Efeu umrankte die brüchigen Reste der Quadersteine, die teilweise wirr durcheinander lagen.
    Die Grundmauern einer alten Burg. Und es war deutlich zu sehen, daß die ehedem mächtigen Gebäude schon vor Jahrhunderten von Menschenhand zerstört worden sein mußten.
    Fasziniert, nahezu andächtig starrte Nicole auf die Szenerie, die sich ihren Blicken bot. Schauer rannen ihr über den Rücken, ohne daß es ihr jedoch unangenehm war.
    Das Licht kam von irgendwo zwischen den Mauerresten. Es war ein gleißendes, silbriges Licht, geheimnisvoll und zauberhaft. Es erhellte die Bäume und ließ sie wie eine schützende Wand erscheinen, die die Burgruine von allen Seiten umgab. Die dunklen Efeublätter glänzten matt und riefen kleine Reflexe hervor.
    Plötzlich wuchs der Lichtschein auf Nicole Duval und den alten Fourcher zu.
    Unwillkürlich öffnete Nicole den Mund – weniger vor Schreck als in gespannter Erwartung des Unfaßbaren, das sie in diesem Moment beinahe körperlich spürte.
    Nur wenige Schritte vor ihr geriet das Licht in Bewegung. Grelle Linien bildeten sich, schlängelten sich auf und ab, um schließlich erkennbare Konturen zu formen. Aus den Konturen wurde eine Silhouette… und dann eine menschliche Gestalt.
    Das Wesen trug ein Kettenhemd, blanke Rüstungsteile und einen Helm mit rechteckigen Augenschlitzen, die schwarz gähnten. Die Hände der Gestalt schimmerten ebenso silbrig wie das Licht.
    Weitere gleichartige Wesen materialisierten sich und bildeten eine funkelnde Front, die vor Nicole dicht über dem Boden schwebte.
    »Du hast deine Sache gut gemacht, Fährmann!« rief der erste Dämon und gab dem alten Mann an Nicoles Seite ein würdevolles Handzeichen. Es geschah im gleichen Moment. Jäh löste sich die knochige Hand aus Nicoles angstvoll verkrampfter Rechten. Der Schreck durchzuckte sie wie eine glühende Lanze. Sie warf den Kopf herum. Ihre Augen weiteten sich.
    Fourcher schrumpfte in Sekundenschnelle zusammen.
    Auf dem Erdboden blieb ein dunkler Fleck, der in dem Moment verschwand, als Nicole einen gellenden Entsetzensschrei ausstieß.
    Der Alte schien buchstäblich vom Erdboden verschluckt – so, als hätte er nie existiert.
    Und gleichzeitig mit seinem Verschwinden war die Macht gewichen, die Nicoles

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