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0022 - Der Todesfluß

0022 - Der Todesfluß

Titel: 0022 - Der Todesfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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Büchern, wie sich die angebliche Rache der Raubritter gestaltete?« fragte Professor Zamorra voller Spannung.
    »Bis ins Detail. Es heißt, daß die Fährmannsfamilie Fourcher mit den Dämonen einen Pakt geschlossen habe. Die Fourchers verpflichteten sich, regelmäßig ein Blutopfer zu bringen, wenn sich das Amt des Fährmannes vom Vater auf den Sohn vererbte. Es handelte sich dabei stets um junge Mädchen, die am Flußufer grausam ermordet und versenkt wurden.«
    »Ist das die Erklärung, weshalb die Fourchers immer nur Söhne gehabt haben sollen?«
    »Schon möglich. Darüber steht nichts genaues in den Chroniken. Ich könnte mir allerdings denken, daß diese blutrünstige Fährmannsfamilie ihre eigenen Töchter geopfert hat und nur im Bedarfsfall auf Mädchen aus dem Dorf zurückgriff.«
    Professor Zamorra nickte versonnen. So grausam und unfaßbar die Schilderung der Vergangenheit von Soranges klang, war es dennoch eine logische Erklärung für das heutige Verhalten der Dorfbewohner.
    In diesem Moment hatte Zamorra endgültige Gewißheit. Es war seine Aufgabe, die Dämonen in ihre Schranken zu weisen. Auf Château Montagne hatte er die Verpflichtung übernommen, den Kampf gegen die Mächte der Finsternis aufzunehmen. Hier, in Soranges, würde er diesen Kampf fortsetzen.
    ***
    Die Dunkelheit lag undurchdringlich wie zähflüssiges Pech über dem Land. Trotz heftiger Böen riß die Wolkendecke nicht auf. Kein Mondlicht fiel herab.
    Nicole wußte nicht mehr, wo sie sich befand. Sie mußte alle Konzentration darauf verwenden, im Lichtkegel der Scheinwerfer die enge und kurvenreiche Fahrbahn zu beobachten. Von dem Land zu beiden Seiten der Straße sah sie nichts. Da war nur gähnende Finsternis, kein Lichtschein, der auf menschliche Ansiedlungen schließen ließ.
    Schon seit Stunden ging das so. Es mußte sich um einen öden, mehr als spärlich besiedelten Landstrich handeln. Nicole erinnerte sich lediglich daran, daß sie irgendwann auf Anweisung des alten Fourcher eine Brücke über die Rhône überquert hatte. Seitdem befanden sie sich östlich vom Fluß. Nicole konnte nur vermuten, daß die Straße ungefähr parallel zur Rhône verlief.
    »Fahren Sie langsamer!« sagte Fourcher unvermittelt.
    Nicole gehorchte, nahm Gas weg.
    »Werden wir bald in Soranges sein?« fragte sie erleichtert.
    »Ja, bald.«
    Wieder folgte minutenlanges Schweigen.
    »Dort vorn ist der Weg«, sagte Fourcher nach einer Weile, »biegen Sie rechts ab.«
    Nicole beugte sich vor, aber sie konnte beim besten Willen keinen Weg erkennen. Nun, der alte Mann mußte schließlich mit den Örtlichkeiten besser vertraut sein als sie.
    Erwartungsfroh verringerte sie die Geschwindigkeit bis zum Schrittempo. Endlich hatte sie die Fahrt bewältigt. Und auf dem Rückweg würde Professor Zamorra selbst fahren. Dann konnte sie sich ausruhen.
    Tatsächlich erfaßten die Scheinwerfer jetzt einen schmalen Feldweg, der von der Landstraße abzweigte und zwischen eingezäunten Weiden entlangführte. Nicole betätigte den Blinker, schaltete die Hydropneumatik auf höchstmögliche Bodenfreiheit und zog die schwere Limousine nach rechts. Sanft schaukelnd rollte der Citroën über den unebenen, morastigen Boden.
    »Es dauert nun nicht mehr lange«, sagte der alte Fourcher, »gleich sind wir am Ziel, Mademoiselle.« Er schien redselig zu werden, jetzt, nach all den Stunden seines stoischen Schweigens.
    »Sie sind sicherlich auch froh, wieder zu Hause zu sein«, entgegnete Nicole, froh darüber, daß dieser alte Mann offenbar doch anders sein konnte, als sie ihn während der Fahrt kennengelernt hatte.
    »Ja. Wir nähern uns der Rhône«, murmelte Fourcher.
    »Aber das Dorf liegt an dieser Seite des Flusses?«
    »Nein, am Westufer.«
    Nicole blickte stirnrunzelnd auf den schmalen Feldweg.
    »Gibt es denn hier überhaupt eine Brücke, Monsieur Fourcher?«
    »Nein, nur eine Fähre.«
    Nicole schüttelte sich bei dem Gedanken, auf diese Weise den nächtlichen Fluß überqueren zu müssen. Doch sie kam nicht mehr dazu, noch weitere Fragen zu stellen.
    Ein Wäldchen tauchte zur Rechten im Scheinwerferlicht auf. Erst als sie unmittelbar vor den hohen Laubbäumen waren, erkannte Nicole den tiefen Graben, der den Wald umgab.
    Unwillkürlich trat sie auf die Bremse. Der Feldweg führte an dieser Stelle an dem Graben entlang. Es gab keine schützende Einzäunung.
    »Steigen Sie aus«, befahl Fourcher, »wir sind am Ziel.«
    »Aber…«, setzte Nicole an. Doch sie verstummte sofort

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