0023 . Geheimschaltung X
klar, daß das von der anderen Seite schon nicht mehr empfangen wurde. Dann schwieg der bis an die Grenzen seiner psychischen Belastung geprüfte Mann plötzlich. Er faßte sich an den Hals.
„Sie sollten Ihre Stimme schonen", riet ihm Thora mit der ihr eigenen Gefühlskälte. Auch ihr Lächeln konnte nicht verbergen, daß sie sich an seiner Niederlage weidete.
„Wie konnte das geschehen, Madam? Dieser Mensch, dieser Raskujan, war früher einmal bei mir in der Kompanie. Ich kenne ihn so gut wie meine Westentasche. Er war ein guter Soldat, und nichts deutete darauf hin, daß er einmal überschnappen würde."
„Die Venus läßt alle überschnappen. Oder halten Sie sich noch für normal?"
„Ich bin General - er ist Oberst. Genügt das nicht?"
„Auf der Venus offenbar nicht, General. Ich hörte einmal von einer russischen Redensart in Sibirien. „Moskau ist weit, pflegt man dort zu sagen. Gewiß hat dieser Satz noch auf keinen Menschen besser gepaßt als auf Sie und Ihren Rivalen. Raskujan hat hier ganz neu angefangen. Ein anderer Planet, ein anderes Leben. Das sind die Tatsachen."
„Er trägt die gleiche Uniform wie ich. Das ist auch eine Tatsache!"
„Vielleicht hat er sie ausgezogen. Andererseits machten sein Gespräch und das Erscheinen seiner Helikopter den Eindruck, als stünden Sie hier einer straff organisierten militärischen Macht gegenüber. Er ist zweifellos der Stärkere. Doch weshalb sage ich das? Sie haben selbst Augen im Kopf und wissen, daß Ihre Trümmer einer ehemaligen Division ein verwilderter Haufen sind."
„Madam!" begehrte Tomisenkow auf, sprach aber nicht weiter, als er ihrem kalten Blick begegnete. Es war, als stünde eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen, über die es keinen Kontakt gab. Daran konnten auch kurze Gespräche wie dieses nichts ändern. Oberst Popolzak meldete, daß die Division angetreten sei. Man hatte achtunddreißig Tote gefunden und ein Stück abseits zusammengetragen.
„Wir haben ihnen die Waffen und Papiere abgenommen, Herr General, und beim Stabe deponiert."
„In Ordnung", nickte Tomisenkow, als käme es in der Hauptsache darauf an, daß jetzt die Buchführung stimmte.
„In Ordnung - bis auf die Verwundeten", bemerkte Popolzak.
Tomisenkow sah ihn irritiert an, als habe er an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht.
„Fünfzehn Männer sind verletzt", fuhr der Oberst fort.
„Kümmert sich Dr. Militsch nicht darum?"
„So gut es geht. Sie wissen, daß wir kaum noch über Medikamente und Verbandsstoff verfügen."
„Er muß es sich einteilen. Dafür ist er Arzt."
Popolzak hatte Tomisenkows Gesicht nie so schmal und eingefallen gesehen wie heute. Und er hatte auch noch nie gehört, daß der Chef so nebensächlich von Toten und Verwundeten sprach. Raskujans Erscheinen mußte ihn ungeheuer beeindruckt und erregt haben.
Der General hielt den angeordneten Appell ab. Von einer angetretenen Division konnte keine Rede sein. Weder zahlenmäßig, noch in der Art der Aufstellung der Männer. Sie hatten sich gruppenweise so dicht beieinander versammelt, wie es das stark verfilzte Buschgelände zuließ.
Er hielt eine Rede an die Männer, in der er unmißverständlich zum Ausdruck brachte, was er Raskujan bereits persönlich über Funk mitgeteilt hatte.
„Wir hatten Verluste", schloß er seine Rede. „Aber nicht, weil Oberst Raskujan, der Deserteur, der Stärkere ist, sondern weil er uns hinterhältig überfiel. Bereits vor einem Jahr wurde er von der Regierung des Ostblocks zu unserer Unterstützung nach der Venus abkommandiert. Wir werden ihn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zum Gehorsam zwingen, zu dem er verpflichtet ist. Wir sind gewarnt und werden uns auf die Situation einstellen. Noch wenige Kilometer, und wir haben das Meer erreicht. Unser Marsch findet jetzt in den unübersichtlichen Dschungelniederungen statt. Die feindliche Aufklärung wird uns nicht mehr erkennen, bis wir unser Ziel erreicht haben. Die gefangene Arkonidin ist uns Garantie dafür, daß wir den Zugang zur Venusfestung erhalten werden.
In dem Augenblick aber werden wir mit Raskujan abrechnen. Und wenn er hundert Hubschrauber gegen uns starten läßt! Gegen unsere Macht wird er nichts ausrichten können und zur Unterwerfung gezwungen sein! Die Abteilungen fertig machen zum Abmarsch! Die Kompaniechefs melden sich bei Dr. Militsch! Der Transport aller Verwundeten, die nicht laufen können, muß garantiert sein. Ich danke Ihnen!"
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Der künstliche Nebel
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