0026 - Die Braut des Henkers
zurückkehren zu können.
Ophelia, die wieder ihr Henkerbeil trug, nahm seine Hand.
»Hab keine Angst, es wird uns nichts geschehen. Denn in diesem Raum haben Dämonen keine Macht. Erst wenn die Zeit wieder als etwas Reales und Gegebenes empfunden werden kann, lassen sie ihre bösen Mächte wieder arbeiten. Ich kenne den Weg genau. Ich bin ihn oft gegangen, in der Hoffnung, alles wieder zum Guten wenden zu können. Doch das ist wohl unmöglich. Was geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Du hast nur die Möglichkeit, mir meine Ruhe von dem Augenblick an zu geben, als du mich zum ersten Mal gesehen hast. Die Toten in den Jahrhunderten vorher wirst du nie mehr lebendig machen können. Das weiß ich, und das ist unabänderlich.«
Zamorra nickte und fasste neuen Mut.
»Das weiß ich auch. Doch du wolltest mir noch sagen, wie ich den Gesandten des Satans erkennen kann. Und du wolltest mir noch sagen, wo er zu finden ist.«
Ophelia, die vorausging, wandte sich um. Traurig blickte sie ihren Begleiter in die Vergangenheit an.
»Ich hoffe, dass du das Werk, das du dir vorgenommen hast, erfolgreich vollenden wirst. Der Mann, den ich meine, wohnt am Rande des Hauptplatzes in einem Haus, das viel älter aussieht als all die anderen. Es ist von Efeu überwuchert, und von den Mauern ist nichts mehr zu erkennen. Du musst deinen Weg dorthin und hinein allein finden. Denn ansprechen darfst du keinen der Bewohner. Man würde dich als Fremden erkennen und auf dich aufmerksam werden. Und wenn er, der Unbekannte, das erführe, dann wäre dein Leben verwirkt. Dann würde er nämlich dafür sorgen, dass du öffentlich hingerichtet würdest. Und keine Macht der Erde könnte dich mehr retten. Denn wisse, auch ich werde dir nicht helfen können. Mir sind die Hände gebunden, denn mein Fluch hindert mich, etwas gegen die Mächte des Bösen zu unternehmen. Ich kann nur hoffen, jemanden zu finden, der es für mich tut. Und ich wünschte, du wä- rest der Richtige. Pass jetzt auf, wir sind gleich da.«
Sie bewegten sich weiter. Zamorra meinte dahinzuschweben. Seine Füße berührten den Boden nicht, der ebenfalls eine grauwabernde Masse war.
Weit voraus konnte er einen gelblichen Schimmer wahrnehmen.
Es sah aus wie eine ovale Öffnung, ähnlich wie die, durch die er in diese rätselhafte Welt jenseits der Zeit getreten war.
Ophelia hielt ihn noch einmal an.
»Eines habe ich ganz vergessen, nämlich dir zu sagen, dass dieser unheimliche Sendbote des Satans wahrscheinlich auch einen Sohn hat. Du musst ihn also auf jeden Fall besiegen, sonst wird der grausame Spuk hier in dieser Gegend weiter gehen. Auch wenn ich nicht mehr da sein sollte, der Satan würde ein neues Werkzeug finden und es morden lassen.«
Zamorra schluckte. So groß war die Verantwortung, die er nun zu tragen hatte. Es war etwas, das einen Mann verzagen lassen konnte.
Doch in ihm erklang der Ruf seiner Vorfahren, und eine innere Energie riss ihn vorwärts auf das Tor zur Vergangenheit zu.
Das gelbleuchtende Oval wirkte wie eine Flammenhölle. Doch es strahlte keine Hitze aus.
Zamorra besann sich nicht lange. Er stürzte wild darauf zu und warf sich hinein. Wieder war da dieses Ziehen in der Wirbelsäule, und plötzlich sah er seinen Körper wieder. Er hatte das Gefühl, durch die Luft zu fliegen.
Dann landete er ziemlich unsanft auf dem Boden. Einige Augenblicke blieb er benommen liegen. Dann schlug er die Augen auf.
Es war Tag oder besser gesagt Abend, denn die Sonne ging unter, wie er nach kurzer Zeit erkennen konnte.
Seine Hände fühlten Sand. Und ein zweiter Blick verriet ihm, dass er am Strand lag, genau vor den Felsblöcken, die jetzt nicht ganz so glatt waren, wie er es aus seiner Zeit kannte.
Nur vage konnte er die Astralerscheinung der Henkersbraut von Coryhead ausmachen. Ganz schwach hob sie sich gegen den blauen Himmel ab.
»Denke daran, er hat noch einen Sohn, und der kann in jeder möglichen Gestalt durch das Dorf laufen. Sieh dich also vor. Wie du den bösen Geist von Coryhead zur Strecke bringen kannst, das kann ich dir nicht verraten. Doch nimm diesen silbernen Dolch hier. Er soll dir bei deiner schweren Aufgabe helfen.«
Mit diesen Worten griff sie in ihr weites Kleid und holte einen silbernen Dolch hervor. Es war ein prächtiges Stück. Der Griff fein ziseliert, die Klinge rasiermesserscharf.
Geradezu andächtig streckte Zamorra seine Hand aus.
Als seine Finger den Griff des Dolches umschlossen, verspürte er ein leichtes
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