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0028 - Invasion der Monster

0028 - Invasion der Monster

Titel: 0028 - Invasion der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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einer Art Schmerz, die sein Bewußtsein wie ein Mantel einhüllte.
    Ganz langsam schälten sich Konturen aus dem geisterhaften Dämmerlicht.
    Zamorra sah Mauern, nackte Bruchsteinquader, flackerndes Kerzenlicht. Er glaubte, in einem großen, schwach erhellten Kellerraum zu stehen, einem Raum, der tief unter der Erde liegen mußte. Eine Art Altar nahm die Stirnseite ein. Zamorra sah die schwarze Schatulle, die darauf stand, er ging darauf zu, wollte sie öffnen – aber er griff ins Leere.
    Im nächsten Moment wurde ihm klar, daß dieses Gefühl täuschte.
    Die Schatulle war noch da, schwarz schimmerten die geheimnisvollen Schnitzereien. Immer noch glaubte der Professor, seine Hand auszustrecken, meinte die Schatulle jeden Moment berühren zu müssen – doch nichts geschah. Er war nicht wirklich hier, nicht mit seinem Körper. Er sah, er empfand, doch er konnte nicht greifen, nichts ertasten, nicht handeln.
    Ein Geräusch machte ihn aufmerksam.
    Er wandte sich um, glaubte sich umzuwenden. Schritte näherten sich. Knarrend schwang die schwere Tür auf, und im Rahmen erschien ein Mann, den Zamorra noch nie im Leben gesehen hatte.
    Der Bursche war groß, hager, fast lächerlich dürr. Schütteres fahlblondes Haar umgab den schmalen Schädel, das ausgemergelte Asketengesicht wurde von scharfen Falten beherrscht. Farblose Albinoaugen funkelten zwischen entzündeten, rotgeränderten Lidern, die schrägen Brauen gaben dem Gesicht etwas Faunhaftes, und um die dünnen, grausamen Lippen zuckte ein triumphierendes Lächeln.
    Der Mann war nicht allein.
    Er zerrte ein Mädchen hinter sich her – ein junges Ding, nicht älter als siebzehn oder achtzehn Jahre, in einem erbarmungswürdigen Zustand. Wirr hing ihr das blonde Haar ins Gesicht, Tränenspuren zogen sich über ihre Wangen. Ihr Kleid war zerrissen, blaue Flecken und aufgeschürfte Stellen zeigten, daß sie geschlagen worden war.
    Jetzt allerdings schien sie entweder unter Hypnose zu stehen oder völlig in Apathie verfallen zu sein. Ihre blauen Augen blickten stumpf und leer, willenlos stolperte sie hinter ihrem Peiniger her und machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu wehren.
    Zamorra spürte kalten Zorn in sich erwachen.
    Ohnmächtigen Zorn – denn er sah dies alles über einen Abgrund von Raum und Zeit hinweg, er wußte nicht, wo sich sein sehender Geist befand, er wußte nicht einmal, ob er eine Szene aus der Gegenwart oder aus Vergangenheit oder Zukunft erlebte. Vor seinen inneren Augen bewegte sich der Mann mit dem Mädchen auf eine zweite Tür zu. Er öffnete sie, stieß sein Opfer brutal in den Raum dahinter und schloß wieder ab. Seine Augen funkelten, als er sich umwandte, und zuckend und schlangengleich fuhr seine Zunge über die dünnen Lippen.
    Langsam schritt er auf den Altar zu.
    Zamorra hatte das Gefühl, als werde er gestreift, doch der Fremde schien ihn nicht zu bemerken. Abrupt blieb der Bursche stehen, und als er die Hand hob, sah der Professor das dunkle Blut an den langen, dünnen Spinnenfingern.
    Der Unheimliche öffnete die Schatulle – und Zamorras Blick fiel auf das Buch.
    Es war, als treffe ihn der Gluthauch der Hölle. Ein unheimlicher Sog schien von den seltsamen Zeichen und Symbolen auf dem Ledereinband auszugehen. Ein dunkler Strudel, der jede geistige Kraft in seiner Umgebung anzog, verschlang, in sich aufnahm und…
    Zamorra spürte Schwindel in sich aufsteigen.
    Der Pesthauch des Bösen griff nach ihm, brandete gegen die Schranken der Beherrschung, suchte in ihn einzudringen. Für die Dauer eines Herzschlags empfand er Schwäche, ein Gefühl taumelnden Sichgehenlassens – dann schien von irgendwoher eine andere, gegensätzliche Kraft in ihn einzuströmen.
    Das Amulett…
    Er wußte wieder, daß er es in der Hand hielt, spürte mit jeder Faser die starke Strahlung. Der Talisman zog ihn zurück, hielt ihn. Für eine winzige, wahnwitzige Sekunde hatte er dicht an der Grenze gestanden, war fast hinübergezogen worden in jenes unheimliche Reich des Bösen – jetzt war der Augenblick vorbei, und die Bedrohung verebbte wie eine Flutwelle, die sich zurückzieht.
    Die Umgebung verschwamm.
    Alles wich zurück, wurde fern, fremd, gegenstandslos, und in einer Zeit, die jenseits des menschlichen Maßes lag, kehrte Zamorras losgelöstes Bewußtsein zurück zum Ausgangspunkt der Reise.
    Sein Blick fiel auf das Amulett, das er in der Hand hielt.
    Es strahlte, schien von innen heraus zu glühen. Nur allmählich erlosch der Glanz, wandelte sich

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