003 - Im Kabinett des Grauens
Fieberwahn vor sich hinredete und mit leiser Stimme um
Hilfe bat.
●
Die
Augen von Colin Perkins waren halb geschlossen. Die bleiche Haut spannte sich
wie Pergament über seine Wangenknochen, ein dünner Blutfaden lief ihm aus dem
rechten Ohr.
Larry
bettete den Schwerverletzten vorsichtig etwas höher. Er hörte die Unruhe im
Flugzeug, doch er achtete nicht darauf. Jetzt schien sich die ungeheure
Spannung zu lösen, unter der die Menschen die ganze Zeit über gestanden hatten,
und jetzt würde auch Frank Dovern, der Flugkapitän, wieder seine volle
Handlungsfreiheit zurückgewonnen haben. Längst war die Funkkontrolle
unterrichtet. Polizei- und Krankenwagen wurden angefordert ...
Larry
fühlte das verkrustete Blut im Nacken von Perkins. Dessen Lippen bewegten sich.
»...
meinen Großvater verständigen, Harold Perkins, den Henker von London ...« Ein
Zittern lief über das bleiche, verzerrte Gesicht von Colin Perkins. »Der Täter,
Derry Cromfield ... er wurde vor zwanzig Jahren hingerichtet ... doch er lebt
...! Ich wollte es nicht glauben ... Jane. Vorsicht wegen Jane, Cromfield hat
gesagt, dass sie die ...«
Da
fiel sein Kopf auf die Seite.
Ein
Zucken lief über die Augenlider des Schwerverletzten. Larry sah, dass Perkins
die Lippen öffnete und noch etwas sagen wollte. Aber er brachte die Kraft nicht
mehr auf. Der junge Pilot war in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. X-RAY-3
fürchtete, dass er vielleicht nie wieder aus dieser zurückkehren werde.
Er
legte Perkins auf die Seite. Es war das einzige, was er im Moment für ihn tun
konnte. Der junge Mann würde somit wenigstens nicht an seinem eigenen Blut
ersticken. Nun war nur zu hoffen, dass der Krankenwagen und damit ärztliche
Hilfe so schnell wie möglich zum Ort des Geschehens kam.
Larry
wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die schweißnasse Stirn. Sein
Gesicht spannte sich. Er musste daran denken, was Colin Perkins zuletzt gesagt
hatte. Was bedeuteten die Worte des jungen Piloten? Der Mann, der für die Tat
verantwortlich zu machen war – hatte er wirklich den Weg zurück aus dem
Totenreich gefunden? Konnte es das überhaupt geben, dass jemand über das Grab
hinaus seine Rache vollendete?
Drei,
vier Schüsse bellten durch die Nacht. Larry sah die Mündungsflammen in der
Tiefe der nebligen Finsternis aufblitzen. Er stürzte auf den Schotterhaufen zu,
die entsicherte Smith & Wesson Laserwaffe in der Rechten. Geduckt stürmte
er weiter, auf jede Bewegung, jedes Geräusch achtend. Er rannte in die
Richtung, aus der er die Schüsse vernommen hatte. Links hinter zwei kahlen,
astlosen Stämmen war ein Geräteschuppen zusammengenagelt worden, daneben stand
ein großes, badewannenähnliches Gefäß.
Der
Boden unter Larrys Füßen war weich und glitschig. Ackerboden, der von
Raupenschleppern aufgewühlt war. Larry stürmte durch eine regelrechte
Mondlandschaft.
Hinter
einer gewaltigen Maschine verschnaufte er. Sah sich um.
»Iwan?
Iwan?« rief er leise und lauschte in die Stille und die Finsternis.
Nebelschwaden stiegen aus der dunklen, schlammigen Erde vor ihm auf. Larrys
Augen brannten, er schien die Dunkelheit mit seinen Blicken durchbohren zu
wollen.
Da
hörte er ferne, satte Schritte, die sich auf dem Schlammacker entfernten. Iwan
Kunaritschew? – Cromfield? Larry löste sich aus der Deckung. Er ging keine zehn
Schritte mehr in die Finsternis, da sah er das dunkle, bewegungslose Bündel auf
dem schlammigen Boden neben einer großen Pfütze. Die Gestalt lag mit der einen
Gesichtshälfte in der Pfütze, die rechte Hand weit ausgestreckt, in den
verkrampften Fingern eine bläulich schimmernde, langläufige Beretta haltend.
Larry beugte sich über die breitschultrige Gestalt.
»Brüderchen«,
murmelte er entsetzt, und sein Herzschlag stockte. Er hatte das Brüderchen so
gemurmelt, als erwarte er, dass Iwan Kunaritschews obligates Towarischtsch
erfolgen müsse. Doch der Russe antwortete nicht mehr. Sein Körper lag schlaff
in Larry Brents Armen.
●
Der
Amerikaner horchte den Herzschlag ab und fühlte den Puls. Schwach und unendlich
fern schien der Schlag durch das kraftvolle Armgelenk des Russen zu dringen.
Iwan Kunaritschew war noch nicht tot! Doch würde er mit dem Leben davonkommen?
Der
Russe blutete stark aus einer Wunde unmittelbar über der Hüfte. Ein breiter
Streifschuss hatte die linke Stirnseite aufgerissen. Die Haut hing in Fetzen
über dem Knochen, doch die Kugel war zum Glück nicht ins Gehirn des
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