003 - Im Kabinett des Grauens
andere Verwendung
für ihn haben, dann würde sich X-RAY-1 schon auf irgendeine Art bei ihm melden.
Ordnungsgemäß gab Larry die Anschrift und den Namen des kleinen Hotels an, in
dem er abgestiegen war. X-RAY-1 konnte über einen Mittelsmann der Regierung
jederzeit eine Nachricht übermitteln.
Zu
einem raschen Frühstück ging Larry in das Frühstückszimmer im unteren
Stockwerk. Er nahm nur ein Butterbrötchen und ein weichgekochtes Ei zu sich und
trank eine Tasse Kaffee.
In
der Portierloge rief er dann das Krankenhaus an, in das Iwan Kunaritschew
eingeliefert worden war. Zu seiner Erleichterung erfuhr er von der Stationsschwester,
dass der Zustand des Russen nicht ernst sei. In zwei, höchstens drei Tagen
könne er das Krankenhaus wieder verlassen. Zunächst habe man geglaubt, dass
eine Kugel im Hüftknochen des Verletzten sitzen würde, doch die Röntgenaufnahme
hatte diesen Verdacht nicht bestätigt. Die Kugel hatte das Fleisch aufgerissen
und eine Arterie verletzt. Iwan Kunaritschew hatte viel Blut verloren. Eine
sofort durchgeführte Bluttransfusion hatte jedoch sein Leben gerettet.
Larry
Brent atmete auf. »Ich bin ein Freund von ihm, Schwester. Sagen Sie, dass ich
angerufen habe. Ich besuche ihn noch diesen Vormittag.«
Dann
legte er auf. Er verließ das Hotel, nachdem er ein Taxi gerufen hatte, das ihn
zum Bahnhof fuhr. Es regnete ununterbrochen. Der Himmel war grau, kein
Sonnenstrahl drang durch die dicke, schwere Wolkendecke.
Larry
löste am Fahrkartenschalter eine Karte nach London.
Als
er in der englischen Metropole ankam, traf er die gleichen Wetterverhältnisse
an. Es war ein grauer, dunkler Tag. Nebelwände standen beinahe unbeweglich in
den Straßen Londons, in denen gespenstisches Leben herrschte. Die Gestalten der
Menschen waren nur graue, verwaschene, unförmige Schemen. Die Autos schlichen
wie Schnecken durch die Straßen, ihre Scheinwerfer waren zerfließende, breite
Geisterfinger, die nicht einmal den feuchten Boden vor dem Kühler
ausleuchteten. Doch nicht nur allein der Nebel war es, unter dem die Londoner
litten. Ruß, Rauch und die Auspuffgase der Autos mischten sich mit ihm und
bildeten gefährlichen und gefürchteten Smog, ein giftiges Gemisch, das manchem
Herz- und Asthmakranken zum Verhängnis wurde. Larry traf auf mehr als einen
Passanten auf seinem Weg zum Taxistand, der ein Tuch vor Mund und Nase gebunden
hatte, um sich vor dem Nebel zu schützen.
Larry
Brent kaufte sich die Morgenausgabe der Times, stieg in sein Taxi und nannte
das Ziel. Er fand auf der zweiten Seite der Zeitung einen ausführlichen Bericht
über das nächtliche Abenteuer mit Derry Cromfield unter der Überschrift:
›Kehren Tote zurück?‹
Der
Reporter brachte ein sehr genaues Bild der Vorfälle, es gab Interviews mit
Zeugen und mit Chiefinspektor McCortney. Der Scotland-Yard-Beamte glaubte nicht
an Geister. Er musste zugeben, dass ihn die Beschreibung Cromfields irritierte,
doch eine künstliche, fleischfarbene Maske sei heute mit einfachen Mitteln
herzustellen.
Dass
sich Cromfield an den Nachkommen des Henkers von London, Harold Perkins, rächen
wollte, das war der Inhalt der Schlussbemerkung des Reporters, der mit E.J.
unterzeichnete. E.J. schrieb: ›In der nicht gerade ereignislosen
Kriminalgeschichte unseres Landes gibt es einen Tag, der manchem Engländer noch
in Erinnerung ist. An einen grauen Novembermorgen vor zwanzig Jahren wurde der
mehrfache Mörder Derry Cromfield hingerichtet. Es sickerte damals durch, dass
der Henker von London, der ehrwürdige Sir Harold Perkins, von dem Gehenkten mit
einem Fluch beladen wurde. Cromfield soll gesagt haben, dass er eines Tages
wiederkommen und sich für seine Strafe rächen werde – und zwar an den
Nachkommen des Henkers von London. Alle, die den Namen Perkins trügen, sollten
ausgerottet werden. Der letzte Fluch eines Sterbenden, eines Verzweifelten! Ist
der Mordversuch an dem Enkel von Harold Perkins, an Colin Perkins, der Beginn
dieses Fluches? Kann ein Toter zurückkehren? Oder hat ein Wahnsinniger die
Rolle Derry Cromfields übernommen?‹
Der
Satz blieb unbeantwortet, er endete mit einem großen Fragezeichen. London – und
das ganze englische Mutterland überhaupt – hatte an diesem Morgen nur einen
einzigen Gesprächsstoff: das Geschehen in der Nähe von Longtown.
Chiefinspektor
McCortney hatte in dieser Nacht kein Auge geschlossen, ihm oblag sogar die
Fahndung. Leider hatten sich keine neuen Anhaltspunkte ergeben. Alles wies
jedoch darauf
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