0034 - Das Teufelsauge
Jahren, als der erste Fall auftrat.«
»Es gibt doch auch hier noch Zigeuner«, meinte Nicole. »Diese Leute helfen sich doch, wo sie nur können. La Zanuga kann mit einem der Zigeunerwagen durchs ganze Land gelangen.«
»Das schon«, mußte Zamorra zugeben. »Und trotzdem spüre ich, daß wir noch vor einem großen Geheimnis stehen. Wir müssen es klären. Und wir wollen nicht warten, bis wir La Zanuga persönlich sprechen können. Da ist schon Vila Tangil. Fragen wir Dr. Menao noch einmal nach dem Mädchen Marghita.«
***
»Ich dachte es mir, daß Sie oder der Capitano mich noch einmal aufsuchen werden«, sagte Dr. Francesco Menao und führte seine Besucher in sein geräumiges Sprechzimmer. »Also Sie fragen mich nach Schwester Marghita. Ein nettes Mädchen. Höflich, fleißig und sehr umgänglich. Es ist ganz unmöglich, daß sie ein Vampir war.«
»Aber sie hat den Patienten getötet«, gab Zamorra zu bedenken.
»Nein«, sagte der Arzt prompt. »Sie mag ihn umgebracht haben. Aber das kann sie unmöglich aus eigenem Antrieb getan haben.«
»Woraus schließen Sie das?« fragte der Professor.
»Sehen Sie«, sagte der Chefarzt. »Einmal ist es mir unerklärlich, wie eine junge Schwester plötzlich von einem so unmenschlichen Trieb gepackt werden könnte. Setzen wir nun voraus, daß das Abwegige dennoch in jedem Menschen vorkommen kann, so muß es eine Voraussetzung dafür geben.«
»Wie meinen Sie das, Doktor?« fragte Zamorra wieder.
»Eine solche Bluttat ist das Abscheulichste, was der Mensch dem Menschen antun kann. Wer sich einer solchen Schandtat, einem solchen Rausch hingibt, muß aber eine Voraussetzung dafür mitbringen.«
»Und die wäre?«
»Die Neigung zur Gewalttätigkeit. Entweder ist sie angeboren, oder sie entstammt einer bitteren Lebenserfahrung. Eine große Enttäuschung kann Menschen plötzlich aggressiv machen. Aber beides liegt im Falle von Marghita Golvez nicht vor. Sie war nie zornig. Sie war ein ganz ausgeglichenes, freundliches junges Mädchen. Bei allen Patienten beliebt. Hätte sie nur die geringste Neigung zu Haß oder Gewalt in sich gehabt, so hätten das nicht nur die Patienten, sondern vor allem ich und mein Personal bald herausgefunden. Nein – ich sage Ihnen, daß mir diese schreckliche Tat des jungen Mädchens einige Rätsel aufgibt. Marghita Golvez hatte nicht die geringsten Neigungen zu so etwas.«
Zamorra wußte, worauf der Chefarzt mit diesen Worten hinauswollte. Das deckte sich genau mit seinen eigenen Erklärungen, mit seinem eigenen Verdacht.
»Sie meinen also, Doktor, daß man das Mädchen beeinflußt hat? Daß es unter einem Zwang gehandelt hat?«
»Si«, sagte der Chefarzt leise. »Obwohl ich als Arzt im Grunde solchen übermenschlichen Dingen keinen Wert beimesse. Ich kann nicht an Geister und Dämonen glauben. Ich bin Arzt, also beschäftigt mich die Natur. Ich kenne den Körper und die Seele des Menschen. Aber da ich mir nicht vorstellen kann, wie Marghita zu einer Vampirin wird, muß die Erklärung im Bereich des Übersinnlichen liegen. Ich sage Ihnen also frei heraus, daß es sich um eine Art von übersinnlichem Einfluß handeln muß.«
»Gut, Doktor«, sagte Professor Zamorra. »Das deckt sich genau mit meinen Überlegungen. Das Mädchen ist behext worden. Angetrieben von einer dämonischen Kraft.«
»Denken Sie dabei an die Zigeunerin?« fragte Dr. Menao.
»La Zanuga? Es mag da eine Verbindung bestehen. Aber das muß erst noch bewiesen werden. Es ist durchaus möglich, daß eine dritte Kraft im Spiele ist. Ich meine diese dämonische Kraft, die sich den Willen des Mädchens zunutze macht. Die ihm einen geheimen Befehl einflüstert und es zu seiner Bluttat treibt.«
»Ich sehe keinen Sinn dahinter, Professor«, sagte der Arzt.
»Ich auch noch nicht. Aber die Bestätigung meiner Überlegungen durch Ihre Ausführungen hat mich schon wesentlich weiter gebracht. Ich danke Ihnen, Dr. Menao.«
»Keine Ursache, Professor. Mir liegt doch sozusagen in erster Linie daran, meine junge Krankenschwester zu rehabilitieren. Ich weiß, daß sie unschuldig ist. Und ich möchte gern den Beweis dafür haben.«
»Ich bin ziemlich sicher, daß wir den bald in der Hand haben, Doktor.«
»Und wie wollen Sie das anstellen?«
»Indem ich versuche, zuerst den Schlupfwinkel La Zanugas herauszufinden. Oder ihre Wege für die nächsten Tage zu verfolgen. Sie meldet sich einmal pro Woche in der Präfektur des Capitano. Sonst weiß aber niemand, wo sie sich
Weitere Kostenlose Bücher