0035 - Draculas Erbe
erreicht, in dem sie das Monster gesehen hatte, bevor es ihr gefolgt war.
Jetzt ging Jara doch mit etwas mehr Vorsicht weiter. Sie untersuchte jede kleine Felsenritze in dem Seitengang, durch die ein Lebewesen durchschlüpfen könnte.
Sie fand nichts.
Unwillkürlich sah Jara immer ein wenig nach oben. Dort, in die gleiche Höhe, wo der unheimliche Kopf des Dämons auftauchen konnte.
So sah sie nicht den Widerstand, der sich ihren Füßen darbieten sollte.
Plötzlich stießen die Füße des Mädchens gegen etwas Hartes.
Wie gelähmt vor Angst ließ Jara den Lichtstrahl der Lampe nach unten fallen. Das gelbe Licht ergoss seinen Kegel über eine dunkle, schwarze Kiste.
Ein Sarg! , dachte Jara und wich einen Schritt zurück.
Aber dann stand sie wie gelähmt, als der Deckel sich hob.
Knarrend schob sich der Deckel zur Seite.
Ungläubig starrte das Mädchen auf die Knochenhände, die ihn weiter beiseite schoben und gleichzeitig in die Höhe drückten.
Dann sah das Mädchen das Gesicht des Unheimlichen.
Bleich wie der Tod. Aber mit lebendigen, grimmig funkelnden Augen.
Es war die Erscheinung von gestern. Der Tod war lebendig geworden!
Ganz nah sah Jara den Schädel des Toten. Es war ein Totenschädel, und dennoch war es der Kopf eines Lebendigen. Die vorspringenden Wangenknochen flößten Jara mehr Angst ein als die grimmigen Blicke des Dämonen.
Jara stand starr und stumm. Kein Schrei wollte über ihre Lippen.
Die Begegnung mit dem Unheimlichen war zu plötzlich gekommen.
»Warum weckst du mich, Mädchen?«, sagte der Unheimliche mit Grabesstimme. »Kannst du nicht warten, bis wir dich holen? Ich habe dir gesagt, dass wir dich vergessen haben. Aber nicht für immer. Erst am Tage nach übermorgen wollten wir dich holen. Nun aber gut, Jara Yäntak. Du bist hier, und du wirst nicht mehr fortgehen von hier. Du gehörst zu den Opfern, die wir bringen müssen, um unsere Väter zu rächen.«
»Nein!«, schrie Jara auf. »Ich habe euch nichts getan! Euch nichts, und nichts euren Vätern! Was soll ich denn getan haben? Ich kenne euch nicht, ihr Geister! Wer seid ihr?«
Der Dämon antwortete nicht. Er schob den Sargdeckel vollends beiseite und stieg aus seiner unheimlichen Behausung.
Wieder wich Jara einen Schritt zurück.
Da besann sie sich auf ihre Waffe, den Lichtschein der Taschenlampe. Grell fuhr der gebündelte Strahl dem Dämon ins Gesicht.
Doch was darauf folgte, ließ Jaras Blut fast gerinnen.
Der Mund des Dämons öffnete sich zu einem gähnenden Loch.
Und in diesem Loch sah Jara vier Zähne.
Ein faulig stinkender Geruch überfiel sie.
Vier Zähne, aus einer Grabgruft. Aber lang wie die Zähne eines Raubtiers.
»Bist du… bist du Dracula?«, fragte Jara totenbleich.
Da wurde der stinkende Mund des Dämons noch mehr aufgerissen, und ein schallendes, irres Gelächter erdröhnte. Es setzte sich in allen Gängen des Felsenschachtes fort. Und jedes Echo war stärker als das höhnische Gelächter aus dem Mund des Unheimlichen.
Das Gelächter wurde immer stärker, immer unheimlicher.
Und jetzt wusste Jara auch den Grund dafür, warum das heisere, kehlige, schaurige Lachen nicht absetzte. Der Dämon verhöhnte sie!
Er lachte über die armselige Waffe in ihrer Hand.
Endlich erstarb das Lachen. »Sieht der Drachen das Tageslicht, dann erst er tot zusammenbricht!«, schrie der Dämon auf das Mädchen ein. »Uns schreckst du nicht mit deiner lächerlichen Lampe, Jara Yäntak!«
Und kam auf Jara zu! Das Mädchen wich zurück.
»Sagt, ob ihr Dracula seid!«, rief Jara fast flehend.
»Nicht Dracula, sondern Draculas Väter sind wir! Gekommen, um alle zu rächen, die sich am Leben unserer Väter vergriffen haben. Und nun zu dir, Jara! Die Väter des Dracula holen dich!«
»Warum denn die Väter?«, fragte Jara in Todesfurcht.
»Weil wir gekommen sind, um Dracula zu zeugen. Er muss uns ablösen, wenn wir im Grabe liegen. Zwei Väter muss Dracula haben. Einen, von dem er die Lust erbt, zu rächen, zu töten, zu plündern, zu strafen. Und einen Vater muss er haben, von dem er erbt die Lust auf das Blut der Menschen. Gewaltig muss er sein, wie ein Drachen, der unschlagbar ist, unsterblich und von allen gefürchtet. Deshalb wird er auch Dracula heißen, der Drachen gewaltigster. Er wird kommen und vernichten und mit dem Leben das Blut aus euch saugen. Mache dich bereit, Jara Yäntak. Wir sind gekommen, unsere Väter zu rächen.«
Jara verstummte. Noch immer wollte nicht der letzte, verzweifelte
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