0035 - Draculas Erbe
Lampen auf ein entsetzlich zugerichtetes Bündel aus Fleisch und Blut. Sie hatten Jara erreicht und gefunden.
Zu spät.
Was sie vor sich sahen, war ein gepeinigtes, geschlagenes, geschundenes junges Mädchen.
Zamorra beugte sich nieder. Da sah er die blutigen Zeichen auf Jaras Stirn.
Ein P und ein D. Keiner hätte ihm sagen können in diesem Augenblick, was diese Zeichen bedeuteten.
Aber Zamorra konnte diese geheimen Zeichen übersetzen.
Sie standen für ›Papesciu Draculi‹.
Das erste Wort kam im Dialekt dieses Bergvolkes vor. Es hieß: Väter.
Zamorra wusste, dass er die Väter des Dracula zu jagen hatte.
Und er nahm sich vor, sie zu jagen. Bis ans Ende der Welt. Bis zu dem Ort, aus dem diese Bestien stammten. Bis in die Hölle, wenn es sein musste.
Zamorra machte Nicole ein Zeichen.
Behutsam hoben sie das übel zugerichtete junge Mädchen auf.
Zamorra war sicher, dass sie den weitaus größten Teil des Tunnels hinter sich gebracht hatten.
Da sie das tote Mädchen tragen mussten, entschloss sich der Professor, durch die andere Öffnung wieder ins Freie zu gelangen. In der dünnen Luft des Bergtunnels würde der Transport sehr erschwert werden.
Es würde also angebracht sein, dafür den kürzeren Weg zu wählen. Viel lieber wollte Zamorra in Kauf nehmen, hinterher den Weg um den Berg zu nehmen, um wieder auf Petescu zu stoßen.
Zamorra und Nicole mussten alle Kräfte aufbieten, um die Tote aus dem Berg zu schaffen. Oft legten sie notgedrungen Pausen ein.
Ihre Lungen pumpten wie wild und rangen nach Luft.
Endlich aber war der Ausgang erreicht. Zamorra bat Nicole, bei Jara zurückzubleiben.
Er selbst wollte den Kommissar mit dem Wagen holen.
Für Nicole bestand keine Gefahr. Hier im Freien würden die Dämonen keinen Überfall wagen. Inzwischen war ja bekannt, dass die Geister das Tageslicht scheuten.
Zamorra beeilte sich, um Mihail Petescu zu finden und mit ihm zurückzufahren.
Der Kommissar hörte sich Zamorras Bericht entsetzt an.
»Das arme Mädchen!«, sagte er immer wieder, während er den Wagen die Bergstraße hinauflenkte.
Sie legten das tote Mädchen auf den Rücksitz und nahmen vorn nebeneinander Platz. Der Wagen war geräumig genug, um vorn drei Personen Platz zu bieten.
Schweigend legten sie den Weg zur Stadt zurück.
Zamorras Gedanken waren ganz bei den Ungeheuern von Dämonen.
Papesciu Draculi! Die Väter des Dracula!
Zamorra nahm sich vor, diese Höllenbrut zu finden und zu vernichten.
Während der Fahrt machte er sich einen Plan…
***
Es war um die Mittagszeit, als die traurige kleine Gruppe die Stadt Bistritz erreichte.
Petescu konnte das Geschehene natürlich nicht geheim halten.
Der Bericht vom Tod der Familien Kostük und Yäntak hatte sich wie ein Lauffeuer in der Stadt und der gesamten Umgebung verbreitet. Der Tod des Mädchens Jara brachte neue Angst und neuen Schrecken in die Bevölkerung. Petescu fürchtete, dass eine Panik ausbrechen würde.
»Das brauchen wir nicht zu fürchten, Kommissar«, meinte Zamorra.
Aber der Professor brauchte eine geraume Weile, um Petescus Bedenken und Skepsis zu zerstreuen.
Zamorra erklärte ihm ausführlich, warum man die Bevölkerung beruhigen konnte.
»Nach allem, was wir erfahren haben, konzentriert sich der Hass der Dämonen auf Nachkommen alter türkischer Familien. Wenn die Kunde von den Gräueltaten überall hingetragen wird, ist das für uns sogar ein Vorteil, Kommissar.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Mihail Petescu.
»Es ist ganz einfach«, gab Zamorra zurück. »Wir haben die ungeheure Aufgabe, alle Nachfahren der ehemaligen türkischen Einwanderer zu warnen. Ich bin sicher, dass die Dämonen ihre Racheakte jetzt nicht aufgeben. Wir wissen von ähnlichen Fällen, wo manchmal über ein ganzes Jahrhundert lang ein Dämon nicht zuschlägt. Dann, wenn er wieder auftaucht oder sein Grab verlässt, ruht er nicht eher, bis er eine ganze Reihe von Racheakten ausgeführt hat.«
»Sie meinen also, Professor, dass die Leute uns behilflich sein können, alle Einwohner türkischer Nationalität zu warnen?«
»Genau so ist es«, sagte Zamorra ernst. »Aber wir werden das Übrige tun, um weitere Gräueltaten zu vermeiden.«
»Und wie wollen Sie das anstellen, Professor?«
»Zunächst einmal mit Ihrer Hilfe. Sie stellen mir bitte einen Erlaubnisschein aus, die Stadtarchive zu studieren. Für mich und meine Sekretärin.«
»Zu welchem Zweck, Professor?«
»Ich hoffe, vor allem in den Geheimarchiven, wie sie jede Stadt
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