0035 - Draculas Erbe
konzentrierte sich aber auf den Baia-See und die nähere Umgebung.
»Hier«, sagte Petescu. »Hier, an einem kleinen Nebenweg an der Hauptstraße liegt die Hütte mit dem grünen Dach. Hier wohnt Gora Gölem. Am besten wäre, wenn es Ihnen gelingen würde, sie vor einem eventuellen Anschlag der Geister aus ihrer Hütte zu schaffen. Versuchen Sie, die Frau in die Stadt zu bringen. Ich werde dafür sorgen, dass die Stadtverwaltung ihr eine Wohnung zur Verfügung stellt.«
Zamorra nickte. Seine Gedanken waren bei der jungen Türkin in der grünen Hütte. Das kleine Gebäude, so erklärte ihm der Kommissar, bestand aus drei Holzwänden. Die vierte, hintere Wand war Naturfelsen. Goras Mann hatte die Felsenwand einfach als Teil der Hütte benutzt.
Wie sollte hier ein Sturm ausbrechen und die Hütte vernichten? , fragte sich Zamorra.
Es war ziemlich unwahrscheinlich. Die Hütte lag vollkommen windgeschützt. Aufkommende Stürme gingen über das Felsmassiv hinweg und konnten dem kleinen Anwesen der Gölems nichts anhaben.
Von wo war also die Gefahr zu erwarten?
Dreimal waren die Opfer durch die Wucht des Wassers umgekommen. Zweimal durch den See, der durch die Felsen geschleust wurde und mit ungehemmter Gewalt über die armen Menschen hereinbrach.
Und einmal, im letzten Fall des Andor Beläs, hatte ein Ungeheuer den Mann mitten im See überwältigt und ertränkt.
Aber Zamorra hatte bei der Szene in dem Felsenschacht deutlich gehört, dass nicht nur von Wasser die Rede war! Mit Wasser und Sturm wollten die unheimlichen Väter Draculas ihre Opfer holen!
Es war also anzunehmen, dass Gora Gölem, ihr nächstes Opfer, durch einen solchen Sturm vernichtet werden sollte. Das Ganze war unvorstellbar. Aber Zamorra wollte Gewissheit haben.
»Ich fahre heute Abend hinauf zum Baia-See«, sagte er.
Einer der Beamten aus Bukarest ließ sich den Wagenschlüssel geben und sorgte dafür, dass der Tank aufgefüllt wurde.
Dann überdachte Zamorra alles, was er bei seinem Erkundigungsgang, den er vorhatte, benötigen könnte.
Eine Stunde später hatte Petescu ihm alles bereitlegen lassen.
Zamorra rechnete damit, dass er von irgendeiner Stelle aus in einen neuen Felsenschacht einsteigen müsste.
Petescu hatte ihm eine Strickleiter zurechtgelegt, ein paar Seile, einen Kasten mit Steigeisen, den notwendigen Hammer und eine Spitzhacke.
Und für den Fall, dass Zamorra von der Dunkelheit überrascht werden würde, lag eine Stablampe bereit, die ein überdurchschnittlich starkes Licht abgab.
Gegen Abend war Zamorra startbereit.
Nicole Duval erbot sich, den Professor zu begleiten.
Aber Zamorra wollte das Mädchen nicht in neue Gefahr bringen.
Er lehnte ihre Begleitung ab. »Ich möchte mich nur umsehen, Nicole. Aber man weiß nie, welche Überraschung die Höllenväter für uns bereithalten.«
***
Der Baia-See zog sich über mehr als fünf Kilometer hin.
Zamorra ging ein Stück am Ufer entlang. Er suchte nach möglichen Stellen, wo die Ungeheuer einen neuen Abfluss anbringen könnten, um den See in die Tiefe der Felsen stürzen zu lassen.
Es gab keine solche Stelle. Die Felsen waren so massiv, dass auch der Wasserdruck ihnen nichts anhaben konnte.
Aber auf irgendeine Weise mussten die Dämonen doch an Goras Hütte herankommen!
Zamorra entschloss sich, zunächst einmal diese junge Frau aufzusuchen.
Er fand die Hütte ohne Schwierigkeiten. Verlassen lag das Holzhäuschen mit dem grünen Dach unweit vom See. An den Felsen geschmiegt. Wie ein Schwalbennest an einer Dachrinne.
Nein , dachte Zamorra. Die Felsen waren der beste Schutz gegen jede böse Überraschung, wie sie die Natur bieten konnte.
Mit einem Steinschlag war nicht zu rechnen.
Und selbst, wenn durch Naturgewalt oder Dämonenhände die Spitze des Berges einstürzen sollte, dann wurde sie von einem weit vorgeschobenen Felsmassiv abgefangen.
Gora Gölems Hütte war sicher. Sie stand geschützt gegen Felsen, Wasser und Sturm.
Zamorra überlegte. Welchen teuflischen Plan hatten Draculas Väter bereit, um die junge Frau zu vernichten?
Es war vollkommen klar, dass ihre Flüche und Drohungen ernst zu nehmen waren. Aber mit menschlichem Nachdenken war der Fall nicht zu lösen. Alles sprach dagegen, dass ein dämonischer Zauber mit Hilfe der Naturkräfte Vernichtung bringen könnte.
Und dennoch war Zamorra sicher, dass ein neuer Racheakt der Draccus bevorstand.
Der Professor spürte, dass er keine Zeit verlieren durfte.
Er blickte über den See. Dort, in der Mitte,
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