0036 - Das Rätsel von Schloß Montagne
Hämmerli, wie geht es Ihnen?« erkundigte er sich besorgt.
Franz Hämmerli aber gab keine Antwort.
***
Ein Gewitter zog auf. Schon vorher, als sie durch die Straßen von Tours fuhren, war es immer dunkler geworden. Die beiden Mädchen waren jedoch so von ihren Gedanken gefesselt gewesen, daß sie es nicht bemerkt hatten.
Zamorra wird enttäuscht sein, wenn ich Jill Meredith wieder mitbringe! dachte Nicole unruhig. Ich merke doch, wie angespannt der Chef im Augenblick ist und daß es eine Nervenbelastung ohnegleichen für ihn bedeutet, so eine launische, kleine Person um sich zu haben.
Und nun hat Jill ihm auch noch den Kampf angesagt. Sie ist eine Skeptikerin, die alles für Lüge und Aufschneiderei erklärt, das sie nicht verstehen kann. Gerade so ein Gast hat uns im Château noch gefehlt, dachte Nicole. Sie warf einen Seitenblick auf den Beifahrersitz.
Jill saß mit unbeweglichem Gesicht neben ihr. Irgendwie erinnerte sie Nicole an eine Marmorstatue. Genau so kalt und starr war ihr junges Gesicht.
Der Regen setzte ein, nachdem sie Tours zwanzig Minuten verlassen hatten. Nicole stellte den Scheibenwischer ein. Es war ein heftiger Wolkenbruch, den die Wischerblätter kaum bändigen konnten.
Über ihnen krachte es. Grelle Blitze zerschnitten den Himmel, der jetzt von tiefem Gelb ins Violette überwechselte.
Nicole hatte alle Mühe, die Spur zu halten. Die vorher so belebte Straße war wie leergefegt. Sicher waren die meisten Autofahrer seitlich in eine der vielen Waldschneisen gefahren, um das Unwetter abzuwarten.
Nicole aber wurde von einer unerklärlichen Unruhe getrieben. Sie hatte das Gefühl, so rasch wie möglich zum Château zurückkehren zu müssen.
Sie drosselte das Tempo noch mehr. Die Reifen des Wagens peitschten hohe Wasserfontänen von der Straße hoch. Bald war es so dunkel, daß Nicole vom Standlicht zum Abblendlicht umschaltete.
»Wir haben drüben in Iowa oft solche Gewitter«, bemerkte Jill lakonisch neben Nicole. »In Iowa haben wir nämlich ein Ferienhaus.«
Nicole stand jetzt nicht der Sinn danach, mit Jill zu plaudern. Sie mußte ihre ganze Aufmerksamkeit aufs Fahren konzentrieren.
»Bitte, öffnen Sie das Fenster auf ihrer Seite, Jill«, bat sie unruhig.
»Die Scheiben sind beschlagen. Es ist nicht gerade leicht, bei diesem Wetter den schweren Wagen zu lenken.«
»Ach was. Wollen Sie mich ans Steuer lassen?«
Nicole gab keine Antwort. Das fehlte noch, dachte sie, daß ich Jill ans Lenkrad lasse.
»Wollen Sie bitte das Fenster öffnen?« erinnerte sie.
Mürrisch gehorchte Jill.
Es war eine Qual zu fahren. Die Regenwand war wie eine undurchdringliche Dunstmauer. Man erahnte die Straße nur wenige Meter weit, danach mußte man sich neu orientieren.
Jetzt fuhr Nicole eine Schrittgeschwindigkeit.
»Sie sind ein überängstlicher Typ, wie?«
»Ich will uns heil aufs Schloß zurückbringen, Jill«, lautete Nicoles Antwort.
Sie fielen in Schweigen.
Jills Gedanken waren unschwer zu erraten. Sie empfand die Art der jungen Französin als zu umständlich und ängstlich.
Nicoles Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ein solches Gewitter hatte sie noch nie erlebt. Es schien fast so, als wäre die Macht sämtlicher Elemente entfesselt.
Wieder ein neuer Blitz… Wie Schemen sah Nicole die parkenden Wagen am Straßenrand. Vielleicht sollte ich auch warten, bis der Wolkenbruch vorüber ist? durchfuhr es Nicole. Doch diese unerklärliche Angst drängte sie, weiterzufahren.
Es wurde weder Jill noch Nicole bewußt, wie lange sie unterwegs waren und wo sie sich befanden.
Es war immer das gleiche Bild.
Sie fuhren in eine grauweiße Regenwand hinein, ohne zu wissen, wie es dahinter aussah. Nicole richtete sich nur nach dem Randstreifen und den Pfosten am Straßenrand mit den Katzenaugen. Auf diese Weise hielt sie halbwegs die Spur.
Um ein Haar hätte sie die Abzweigung zum Dorf unterhalb vom Château Montagne verpaßt.
Nicole bremste hart ab. Der Wagen brach aus und begann sich zu drehen, doch die Französin warf schnell den Gang ein und brachte das Fahrzeug durch Gegenlenken wieder in ihre Gewalt.
Jill gab keinen Kommentar zu diesem Fahrmanöver ab.
Die Straße war jetzt merklich schlechter. Das ehemals gute Kopfsteinpflaster war längst von Unkraut überwuchert und mit tiefen Schlaglöchern übersät.
Die Häuser des Dorfes kamen in Sicht, sie sahen im Regen noch ärmlicher aus als sonst.
Nicole lenkte den Wagen zur Serpentinenstraße, die zum Schloß hinaufführte.
Diese
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