0036 - Die Nacht des Feuergottes
knochendürres Männchen erschien. Mark van Pallandts klapperige Gebeine schienen nur noch von seiner ledernen Haut zusammengehalten zu werden. Er hatte eingefallene, runzelige Wangen, schwache, glanzlose Augen hinter dicken Brillengläsern – und sein schlohweißes Haar war struppig, und stand weit von seinem schmalen Kopf ab.
Seine Tage, die er auf Erden noch verbringen durfte, schienen bereits gezählt zu sein. Mir kam so vor, als hätte er sich in diese Einsamkeit zurückgezogen, um in aller Ruhe und in ungestörtem Frieden sterben zu können.
Ich nannte meinen Namen und stellte auch Suko vor. Ich sagte dem Missionar, daß wir ihm Wein und reichlich zu essen mitgebracht hatten. Er nahm dies nickend zur Kenntnis, ohne sich dafür jedoch zu bedanken.
Ich wollte seinen Dank nicht.
Im Gegenteil. Wenn er uns seine Waffe überließ, mit der wir den Feuergott vernichten konnten, würden wir ihm ewig zu Dank verpflichtet sein.
Er gestattete uns, den Wein und die Speisen in seine Hütte zu bringen. Wir sahen ein hartes, dürftiges Lager. Decken auf dem Boden. Eine rußgeschwärzte Feuerstelle, in der noch Glutreste schimmerten.
Nachdem uns Mark van Pallandt erlaubt hatte, Platz zu nehmen, ließen wir uns auf die auf dem Hüttenboden liegenden Decken nieder. Stuhl oder Tisch gab es keinen.
Der Missionar ließ sich ächzend auf sein Lager nieder. Er lehnte seinen knochigen Rücken an die Hüttenwand, an der zahlreiche Heiligenbilder hingen. Ich eröffnete dem greisen Mann, daß wir nach Nicaragua gekommen waren, um dem Feuergott den Kampf anzusagen.
Die sehschwachen Augen des Holländers weiteten sich. »Sie beide müssen sehr viel Mut haben«, sagte er mit seiner dünnen, leicht kratzenden Stimme.
Ich klärte ihn auf: »Scotland Yard besitzt eine Abteilung, die sich ausschließlich mit übersinnlichen Fällen befaßt. Ich gehöre dieser Abteilung seit Jahren an und habe in dieser Zeit gegen Vampire, Ghouls, Werwölfe, Wiedergänger und Zombies gekämpft.«
»Und nun sind Sie hier, um dem Feuergott den Garaus zu machen«, sagte Mark van Pallandt mit Freude in der Stimme.
Ich nickte. »So ist es. Suko und ich sind im Kampf gegen Dämonen nicht unerfahren, deshalb rechnen wir uns gute Chancen gegen den Dämon aus.«
»Er ist listig und gemein!« sagte van Pallandt.
»Wir hatten bereits mit ihm zu tun«, sagte ich. Ich erwähnte, daß mich zwei Diener des Feuergottes kidnappen wollten, und ich schilderte dem Missionar unser Abenteuer auf dem Managuasee.
Ich merkte, daß der Missionar uns mochte. Er schenkte uns nach kurzer Zeit schon sein Vertrauen. Mit jedem Wort, das in dieser einsamen Hütte gesprochen wurde, festigten sich die Bande zwischen uns mehr.
Mark van Pallandt brachte Suko und mir großen Respekt entgegen. Er bedauerte, daß er alt und krank war. Wenn er zwanzig Jahre jünger gewesen wäre, hätte er den Dämon selbst bekämpft.
Doch zu einer solchen Tat fehlte ihm heute die Kraft.
»Wir werden es für Sie tun, van Pallandt«, sagte ich ernst.
Er nickte, denn er traute es uns zu.
Ich sprach von Kevin Jewesbury und Marion McNally, die sich in der Gewalt des Dämons befanden und die wir befreien wollten. Der Holländer rechnete uns diesen uneigennützigen Wunsch hoch an.
Er senkte seinen Blick und starrte eine Weile stumm auf seine dürren Hände. Mit Tränen in den Augen sagte er schließlich: »Wissen Sie, daß Sie fünf Minuten vor zwölf zu mir gekommen sind, Sinclair?«
»Wieso?« fragte ich.
»Haben Sie schon von der Nacht des Feuergottes gehört?«
»Ja. Sie soll nicht mehr fern sein.«
»Alles deutet darauf hin, daß der Dämon morgen nacht seine Herrschaft in diesem Land antreten wird.« Mark van Pallandt schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe nicht mehr damit gerechnet, daß jemand dem Machtstreben des Feuergottes Einhalt gebieten würde. Ich gebe zu, ich habe mich bereits damit abgefunden, daß Nicaragua in die Hände dieses Teufels fallen würde. Und nun – dieser Lichtblick… Ich bin gerührt. Wenn jemand in der Lage ist, den Dämon zur Hölle zu schicken, dann sind Sie es beide, davon bin ich überzeugt. Nicaragua darf wieder hoffen. Es ist noch nicht verloren.«
»Man hat uns erzählt, Sie wären im Besitz einer Waffe, mit der man den Dämon vernichten kann«, sagte ich.
Der Greis wollte sich erheben. Er schaffte es nicht. Ich sprang auf und half ihm behutsam auf die Beine. Er schleppte sich durch die Hütte, schlug einen Fellvorhang zur Seite, verschwand dahinter für
Weitere Kostenlose Bücher