0037 - Panik in Tokio
wirbelnd sank sie überraschend schnell tiefer. Taira Schigatsus Zähne klapperten. Igataki Hodscho nahm das Walkie-talkie aus der Tasche seiner Uniformjacke und rief das nächste Polizeirevier, zu dem er und sein Kollege gehörten.
Er meldete sich hastig und berichtete.
»Du bist wohl betrunken, Hodscho!« fuhr ihn der diensthabende Sergeant barsch an. »Schon heute morgen ist mir deine Fahne aufgefallen.«
»Sergeant Intoki, ich schwöre…«
Weiter kam der Polizist Hodscho nicht. Die rote Wolke hatte mittlerweile den pagodenartigen Dachgiebel des Geishahauses erreicht. Da warf Igataki Hoscho das Funkgerät fort. Er spurtete los, und auch Taira Schigatsu rannte weg wie ein Weltklassesprinter.
Das blanke Grauen saß ihnen im Nacken.
Sie rannten quer durch den kleinen Park hinter dem Geishahaus und nahmen die Umfassungsmauer des Grundstücks im fliegenden Stil. Vor der Mauer blieben sie keuchend sitzen.
Die rote Wolke drang inzwischen durch Ritzen und Spalten in das Geishahaus ein. Im Nu erfüllte der amorphe rote Nebel sämtliche Zimmer und Gänge. Mamasan Toda Kasiki, die junge Geisha und der Häusbursche fuhren in ihren Schlafkammern auf, doch retten konnten sie sich nicht mehr.
Der rote Schrecken durchdrang jede Pore ihres Körpers. Horror und Grauen erfüllten sie. Fürchterliche Angst und tödlichen Schmerz empfanden sie, als magische Kräfte die Atome ihres Körpers umwandelten.
Igataki Hodscho und Taira Schigatsu hatten sich wieder auf ihre Pflicht besonnen. Schigatsu machte die Leiter für Hodscho, sein Kollege stand auf seinen verschränkten Händen und konnte über die Mauerkrone spähen.
»Was siehst du?« fragte Schigatsu.
»Beim Buddha amitsa! Bei allen Ahnengeistern und beim großen Nirwana! Das darf es doch nicht geben, nein, nein!«
Hodscho zitterte so, daß er fast gefallen wäre. Denn das gesamte Geishahaus stand als ein rötliches Nebelgebilde vor seinen Augen. Die Konturen flimmerten, sie waren durchsichtig geworden. Und in diesem nebelhaften Geisterhaus bewegten sich drei Skelette, die jetzt langsam niedersanken.
Die Knochen lösten sich auf. Igataki Hodscho schüttelte heftig den Kopf und sandte lautlose Gebete zu seinen Ahnen. Er brachte kein Wort hervor. Es gab noch andere Augenzeugen, denen es ähnlich erging.
Die rötlichen Konturen verschwammen. Da stand wieder das Geishahaus, von einem schwachen roten Schimmer umgeben. Wie ein Nebel löste sich die rote Wolke von ihm, und in den Gehirnen aller Menschen in einem Umkreis von hundert Metern erklang eine Gedankenstimme.
»Das war nur ein schwaches Vorspiel der Kräfte des Roten Dämons! Hütet auch vor dem Zorn Professor Ota Hakatos!«
Die rote Wolke hing noch einige Augenblicke brodelnd und wirbelnd über dem spitzgiebligen Haus. Dann stieg sie, immer schneller werdend, in die Lüfte empor, zu den Wolken am Frühlingshimmel über Tokio hinauf. Dort verschwand sie als ein kleiner Punkt.
Von der nahen Stadtautobahn dröhnte Verkehrslärm herüber. Die Skyline des modernen Tokios reckte sich in den Himmel. Doch das Grauen hatte die Elfeinhalb-Millionen Stadt gestreift.
Die Gewißheit war verkündet worden, daß es auch im Atomzeitalter dämonische Kräfte gab, die die Möglichkeiten des Menschen weit übertrafen.
Das Geishahaus stand wie zuvor, doch von den beiden Frauen und dem Mann, die sich darin aufgehalten hatten, war nichts übriggeblieben. Ihre Körper hatten sich spurlos aufgelöst, der Rote Dämon hatte sie verschlungen.
***
Noch am selben Vormittag erfuhren wir in Yokohama von dem schrecklichen Ereignis. Tomoe weinte fassungslos. Sie hatte die Mamasan Toda Kasiki zwar nicht gerade innig geliebt, aber Respekt vor ihr gehabt und sie geschätzt.
Der jungen Nachwuchs-Geisha, die ums Leben gekommen war, hatte Tomoe nahegestanden. Eisai Kaoru reckte seine knochige Faust gen Himmel und schwor Vergeltung.
»Ota Hakato hat sehr schnell von Gogen Kishis Entführung erfahren und Rache genommen«, sagte der Führer der Kamikaze-Bruderschaft. »Ein Glück, daß er nicht wußte, wo wir uns aufhielten. Doch das kann er mit seinen Mitteln und der Hilfe der Verbrechersyndikate bestimmt herausfinden.«
Das fürchtete ich auch.
»Wir müssen den großen Kamikaze sofort beschwören«, sagte ich. »Es darf keine Zeit mehr verloren werden.«
Eisai Kaoru vergaß ganz seine übliche Gelassenheit und zerrte an seinem dünnen weißen Bart.
»Was für ein Unglück, was für ein Schrecken! Aber wie sollen wir gleich mit der
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