004 - Die Blutbestie
irgendwelchen Verwandten ziehen.« »Ich habe keine Verwandten.« »Vielleicht nehmen Sie Ihre Freunde für eine Weile auf.«
»Ich möchte nicht von hier weggehen. Ich will vor Steve nicht davonlaufen.«
»Manchmal ist es besser, nicht zu mutig zu sein«, warnte Dave. »Denken Sie an Bob Fencel.«
Ihr Blick wurde traurig, aber sie sagte nichts.
»Versprechen Sie mir, sich einzuschließen?« fragte Dave eindringlich.
»Also, gut. Ich verspreche es. Obgleich es nicht viel Sinn hat.« »Wieso nicht?«
»Wenn Steve ins Haus gelangen will, schafft er das. Er hat hier gewohnt. Er könnte eine Fensterscheibe einschlagen. Er könnte über den Balkon in mein Schlafzimmer klettern. Es gibt so viele Möglichkeiten, in dieses Haus zu gelangen. Davon kann ihn eine abgeschlossene Tür nicht abhalten.«
»Es würde mich aber trotzdem beruhigen, wenn ich wüßte, daß Sie den Schlüssel stets herumgedreht lassen«, erwiderte Dave beharrlich.
Alice lachte kurz über seine Hartnäckigkeit. »Ich werde Ihren Wunsch selbstverständlich respektieren, Dave.«
»Das freut mich. Haben Sie eine Waffe?«
Alice schüttelte den Kopf. »Soll ich Ihnen eine besorgen?« fragte Dave. »Ein kleiner Derringer beruhigt das Gewissen ungemein.«
Alice schüttelte wieder den Kopf. Ihr Blick wurde trübe und traurig.
»Ich brauche keine Waffe, Dave. Ich könnte ohnedies nicht auf ihn schießen.«
»Steve ist nicht mehr der liebenswerte Mensch, der er einmal war, Alice. Von dieser Vorstellung müssen Sie endlich einmal abkommen. Er war bereits einmal in Ihrem Schlafzimmer. Er wird vielleicht wiederkommen. Ich würde mich nicht zu sehr darauf verlassen, daß er sich bloß wieder nur ein Küßchen holt. Es klingt vielleicht herzlos, aber beim nächsten Mal könnte er vielleicht nicht bloß einen Kuß von Ihnen wollen, sondern auch Ihr Blut!«
Alice wußte, daß Dave mit jedem Wort recht hatte. Sie wußte, daß sie sich wie alle Leute in der Stadt, die allein wohnten, in großer Gefahr befand.
Trotzdem hätte sie es nicht fertiggebracht, Steve zu erschießen.
Selbst dann nicht, wenn er über sie hergefallen wäre, um das Blut aus ihren Adern zu trinken.
Sie konnte es nicht. Ganz tief in ihrer Seele war dieser Mann auch jetzt noch, nach seiner gräßlichen Verwandlung. ihr Freund. Der Mann, mit dem sie so gut wie verlobt gewesen war. Der Mann, den sie hatte heiraten wollen. Der Mann, mit dem sie viele glückliche Stunden verlebt hatte.
Sie konnte ihn nicht töten. Das ging über ihre Kräfte.
Bis zu einem gewissen Grad konnte Dave die Gefühle dieses Mädchens ja verstehen. Wenn es ihr aber, ganz simpel ausgedrückt, an den Kragen gehen sollte, dann mußte sie sich doch zur Wehr setzen. Sie mußte zumindest versuchen, sich gegen den Tod zu wehren. Sie konnte sich doch nicht tatenlos und ohne die geringste Abwehr in ihr Schicksal fügen.
Er redete lange auf das Mädchen ein.
Sie blieb dabei.
»Keine Pistole, Dave!«
Er gab seufzend auf. »Hat Steve, seit er unsichtbar ist, eine gewisse Vorliebe für irgendwelche Gegenden gezeigt?« fragte er dann.
»Man sagt, daß er sich öfter mal beim Moor herumtreibt. Häufiger noch als da scheint er sich auf dem Friedhof aufzuhalten. Von da kann er auf die Ruine hinübersehen, in der ihn das grauenvolle Schicksal ereilt hat. Er streift meist nachts in dieser Gegend herum — sagen die Leute.«
Dave nickte wenig begeistert. »Okay. Dann werde ich mich heute nacht mal auf dem Friedhof auf die Lauer legen. Vielleicht habe ich Glück, und er bringt mich gleich in der ersten Nacht um. Dann hab’ ich’s wenigstens hinter mir.«
Daves schwarzer Humor ließ Alice erschauern. »So dürfen Sie nicht reden, Dave«, sagte sie vorwurfsvoll.
Dave fröstelte bei dem Gedanken an die kommende Nacht.
»Wollte schon immer mal das Gruseln lernen«, lächelte Dave. »Von so einem nächtlichen Friedhofsaufenthalt träume ich schon seit Jahren. Schlimm ist nur, daß ausgerechnet heute vormittag ein ganzer Autobus voll junger, attraktiver Mädchen im »Three Oaks« gelandet ist. Die Auswahl ist bestechend. Die Girls machen eine Studienreise durch England. Morgen fahren sie schon wieder weiter. Ich bin überzeugt, daß ein Mann wie ich bei diesen netten Bienchen heute nacht der Hahn im Korb wäre. Hübsche Häschen, eine wie die andere. Ich hatte mir ehrlich gesagt schon bei einigen Chancen ausgerechnet.« Er seufzte. Alice zeigte für seine Schwärmereien selbstverständlich nicht das geringste Interesse. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher