004 - Kerry kauft London
günstigstenfalls ein besserer Angestellter war, eine Gelegenheit, zweitausend Pfund zu verdienen, vorübergehen lassen wollte.
»Wenn ich genügend Einfluß auf Fräulein Zeberlieff hätte«, fuhr Bray fort, »so würde ich ihn jedenfalls nicht zugunsten von Herrn Martin Hubbard geltend machen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich sie liebe … und weil ich glaube, daß meine Liebe erwidert wird.«
Hätte jemand eine Bombe in das Zimmer geworfen, Hermann hätte nicht überraschter sein können.
»Sie lieben sie«, wiederholte er ungläubig, »wie spaßig!«
Obgleich ihn etwas im Gesicht des jungen Mannes warnte, fuhr er doch mit einem unangenehmen Lächeln fort: »Nein, nein, mein Lieber. Sie müssen sich schon ein anderes Mittel suchen, um zu Geld zu kommen, als eine Heirat mit meiner Schwester. Das war also der Gedanke …«
»Hören Sie auf!« Gordon Bray trat mit funkelnden Augen einen Schritt auf ihn zu. »Ich erlaube nicht, daß Sie oder irgendein anderer derartiges sagt. Ich kann Ihren Ärger verstehen, denn ich kann mir denken, daß ich nicht der Mann bin, den Sie zum Schwager haben möchten. Gleichzeitig ist es aber nur billig, Ihnen zu sagen, daß Sie der allerletzte wären, den ich mir zum Schwager wählen würde. Ich liebe Ihre Schwester, und ich werde sie heiraten, aber nicht eher, als bis ich mir selbst eine Stellung in der Welt geschaffen habe, und zwar ohne Unterstützung Ihrer Schwester, außer der Hilfe und dem Ansporn, den mir ihr prächtiger Charakter geben wird.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich lache«, unterbrach ihn Hermann. Er hatte sich außerordentlich schnell wieder in die Gewalt bekommen.
»Ohne ihre Unterstützung«, fuhr der junge Mann fort, Hermanns unverschämte Bemerkung ignorierend, »werde ich sie heiraten. Bezüglich Ihres Vorschlages, in dem Herr Hubbard eine so hervorragende Rolle spielt, gebe ich Ihnen den dringenden Rat, sich das völlig aus dem Kopf zu schlagen.« Er war jetzt kühn, kühn im Gefühl seiner Macht. Hermanns Gesicht bot keinen erfreulichen Anblick. Er war verzweifelt, zu allem entschlossen in der Erkenntnis seiner eigenen gefährlichen Lage. Trotz seines Ärgers, trotz seiner möglichen Niederlage riß er sich doch mit Gewalt zusammen und lächelte.
»Ich fürchte, wenn meine Schwester warten soll, bis Sie sich eine Stellung in London errungen haben, werden Sie eine Frau im mittleren Alter heiraten.«
»Das mag schon sein«, erwiderte Bray ruhig, »aber wenn Herr King Kerry …«
»King Kerry?« unterbrach ihn Hermann hastig. »Hat der auch hier seine Hand im Spiel?«
»Herr King Kerry weiß nichts davon; aber er hat mir Aussichten gemacht, sobald er anfängt zu bauen.«
»Er will bauen? Was? Was will er bauen? Sagen Sie es mir!«
»Ich kann Ihnen nichts sagen«, entgegnete der andere und ging zur Tür.
»Beantworten Sie mir eine Frage!« Hermann stand am Kamin, den Ellbogen auf dem Marmorsims, den Kopf auf die Hand gestützt. »Wollen Sie mir schwören, daß meine Schwester Sie liebt?«
Die Frage kam so unerwartet, daß sie Bray fast den Atem benahm.
»Beschwören kann ich es nicht«, lächelte er, »aber ich glaube es.«
»Hat sie es Ihnen gesagt?«
Bray nickte.
»Dann ist das also in Ordnung«, entgegnete Hermann lächelnd. »Nun will ich Sie hinunterbegleiten.«
Er ging ihm voran die Treppe hinunter. Im Erdgeschoß lagen das Speisezimmer und sein kleines Bibliothekszimmer.
»Trinken Sie mit mir noch ein Glas auf meine Schwester?«
Gordon Bray zögerte. Er hatte diesem Mann offenbar doch unrecht getan.
»Das täte ich allerdings gern«, sagte er freimütig, worauf Hermann ihn ins Speisezimmer führte und die Tür hinter ihnen schloß.
Er ging zu einem kleinen Büfett und nahm eine schwarze Literflasche und zwei Gläschen heraus.
»Dies ist der stärkste Likör der Welt - Van der Merwe. Wir wollen auf die Entlassung meiner Schwester - und auf bessere Bekanntschaft - anstoßen.«
»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte der junge Mann herzlich.
Zuerst füllte Hermann ein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und reichte es seinem Gast; dann schenkte er für sich selbst ein. Gordon konnte nichts von dem kleinen schwarzen Knopf in der Mitte des Flaschenhalses ahnen, auf den der andere gedrückt hatte, nachdem das erste Glas vollgeschenkt war. Der Druck auf diesen Knopf hatte genügt, eine kleine Menge einer farblosen Flüssigkeit in das Glas einlaufen zu lassen.
»Wohlsein!« sagte Hermann und leerte sein Glas. Bray tat ihm
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