0040 - Die Ameisen greifen an
transportiert werden. Das Land lebte nun mal vom Tourismus.
Roger Calf erhöhte die Geschwindigkeit. Mit Bravour übersprang er einen Hügel, wedelte nach rechts und kam inmitten einer aufstiebenden Schneewolke zum Stehen.
Der alte Mayer trat aus dem Haus. »Hast lange auf dich warten lassen, Junge«, begrüßte er Roger. »Ich wollte schon dichtmachen.«
Roger lachte und schob seine Schneebrille in die Stirn. Dann drückte er dem faltengesichtigen Mann mit der schwarzen Pudelmütze die Hand.
»Ich war bei Colette und…«
Der Alte lachte. »Ja, sie ist hübsch geworden, die Kleine. Ich wollte, ich wäre noch einmal vierzig Jahre jünger. Mann, das waren Zeiten.«
Roger fuhr an dem Steinhaus vorbei. In der kleinen Station durchlief das Seil mehrere waagerecht liegende Rollen, wurde um eine S-Kurve transportiert, um dann wieder ins Freie zu gelangen.
Das Gesicht des Alten tauchte am Fenster auf. Er winkte und rief: »Dann einen guten Rutsch, mein Junge!«
»Danke gleichfalls.«
Ein Doppelsitz fuhr heran. Er schwankte etwas, aber Roger besaß Routine im Aufspringen. Es bereitete ihm keine Mühe. Schon nach zwei Sekunden schwebte er aufwärts. Er hob ein letztes Mal den Arm zum Gruß, setzte die Schneebrille wieder auf und überließ sich dann der Einsamkeit der Bergwelt.
Über ihm war nur das Singen der Räder auf den Stahltrossen zu hören. Immer wenn die kleine Gondel an einem der Pfeiler vorbeifuhr, gab es an den Rollen einen Ruck. Ängstliche Menschen bekamen oft Magendrücken, wenn sie das spürten.
Roger Calf konnte darüber nur lachen. Er war ein Kind der Berge. Sein Blick wanderte nach rechts. Über einem verschneiten Waldstreifen standen einige dünne Rauchfahnen. Roger wußte, daß sich dort in der Nähe der Campingplatz befand. Die Menschen heizten ihre Wohnwagen und kochten selbst.
Roger Calf richtete sein Augenmerk wieder nach vorn. Die klare Luft ließ die Entfernungen zusammenfließen. Deutlich konnte er die letzte Station erkennen.
Es war die Zeit kurz vor Einfall der Dämmerung. Der Tag schien noch einmal kräftig Atem zu schöpfen, bevor die Dunkelheit kam. Zehn Minuten würde es noch dauern, bis Calf sein erstes Ziel erreichte. Von der Station aus gab es einen prächtigen Weg zur Hütte. Roger freute sich schon auf die Strecke.
Plötzlich stutzte er.
Er schaute genauer hin, nahm sogar die Schneebrille ab und beschattete die Augen.
Neben der letzten Liftstation hatte sich etwas bewegt. Und es bewegte sich weiter. Daran gab es keinen Zweifel. Roger ärgerte sich, daß er kein Fernglas dabei hatte, er konnte zwar etwas Dunkles erkennen, das sich von der weißen Fläche abhob, aber was es genau war, das wußte er nicht.
Ein Tier? Oder ein Mensch?
Seltsam…
Als er abermals hinschaute, war das dunkle Gebilde verschwunden. Die Gondel fuhr weiter, wurde von der Dämmerung eingeholt und warf einen langen Schatten auf den Schnee.
Roger Calf nahm sich fest vor, sofort nachzusehen, wenn er die Endstation erreicht hatte. Er mußte wissen, ob er sich getäuscht oder ob sich dort tatsächlich etwas bewegt hatte.
Nach Skifahrern sah das jedenfalls nicht aus.
Er fuhr die letzten Meter. Die Erde kam immer näher. Längst lagen die Baumwipfel hinter dem einsamen Fahrer. Hier oben gab es nur Fels und vom Schnee bedeckte Krüppelgewächse.
Die Gondel lief in das oberste Gebäude der Endstation ein, und Roger Calf sprang aus dem Sitz. Der junge Mann trat sofort zu dem an der Wand befestigten Telefonapparat, drückte einen weißen Knopf und war mit der Mittelstation verbunden.
»Alles klar?« fragte der alte Mayer.
»Ja.«
»Da stimmt doch was nicht, Junge. Deine Stimme klingt so komisch. Hast du was?«
Dem Alten konnte man nichts vormachen. Roger überlegte, ob er von seiner Entdeckung berichten sollte, aber er entschied sich nur teilweise dafür. »Sind eigentlich kurz vor mir noch weitere Personen zur letzten Station hochgefahren?« fragte er.
»Nein. Wieso? Hast du etwas entdeckt?«
»Es schien mir so.«
»Von hier aus und auch von der Talstation ist niemand mehr hochgefahren«, erklärte der alte Mayer.
»Dann bedanke ich mich«, sagte Roger Calf, wünschte dem Alten noch einmal einen guten Rutsch und hängte ein.
Auf seinen Skiern bewegte er sich nach draußen. Der Himmel hatte schon eine dunkelgraue Farbe angenommen. Roger mußte sich sputen, wenn er rechtzeitig die Hütte erreichen wollte.
Aber vorher suchte er den Boden in unmittelbarer Nähe der Hütte nach Spuren ab.
Und er
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