0041 - Das Amulett des Sonnengottes
Boden. Es waren fünf oder sechs Stück. Eine von ihnen traf meinen rechten Fuß.
Ich schrie auf, zog das Bein an. Die Felge rollte scheppernd davon und stieß gegen einen geparkten Wagen.
Suko bückte sich blitzschnell. Er packte eine der herumliegenden Felgen und richtete seinen eiskalten Blick auf mich.
Ich hatte die magische Kreide nicht losgelassen. Der Dolch steckte in meinem Gürtel. Ihn brauchte ich erst später. Ich mußte Suko einschließen, damit er nicht entkommen konnte.
Er stand geduckt da und drehte sich mit mir mit. In seinen Pranken wirkte die Felge wie ein Spielzeug. Und doch kannte ich die tödliche Gefahr, die von ihr ausging. Suko konnte die magische Linie zwischen ihm und mir nicht mehr überschreiten, solange er unter dem bösen Einfluß stand. Aber er konnte die Felge nach mir werfen. Ein Treffer am Kopf, und Scotland Yard mußte sich nach einem neuen Oberinspektor umsehen.
Jeden Moment konnte der Angriff erfolgen. Trotzdem nutzte ich die Zeit und kroch auf allen vieren über den Boden. Dabei zog ich die Kreidelinie weiter. Drei Viertel des Kreises hatte ich bereits geschlossen, als durch Sukos Körper ein kurzer Ruck lief. Er warf ansatzlos nach mir.
Wie ein Geschoß sauste die Felge durch die Luft. Nur mehr wenige Zoll des Kreises waren offen. Suko stürzte sich im gleichen Moment auf mich. Er wollte mich wahrscheinlich endgültig erledigen, wenn die Felge mich verfehlte.
Ich setzte alles auf eine Karte. Ich wich dem Metallstück nicht aus. Mit der rechten Hand zog ich das letzte Stück des Kreidekreises. Mit der linken griff ich blitzschnell nach dem kreuzförmigen Dolch, riß ihn aus meinem Gürtel und streckte die Spitze der Felge entgegen.
Der Kreis war geschlossen, doch im nächsten Moment traf mich das Geschoß. Ich glaubte, die Tiefgarage wurde über mir zusammenbrechen.
Ich hatte mich verrechnet. Der Dolch wirkte im Moment nur gegen das Böse, nicht jedoch gegen einen leblosen Gegenstand. Mit voller Wucht erwischte mich die Felge an der Brust.
Ich wollte schreien, doch der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen. Röchelnd lag ich auf dem Boden, unfähig, mich zu bewegen. Vor meinen Augen wallten rote Schleier. Mein Brustkorb fühlte sich an, als waren sämtliche Rippen gebrochen. Verzweifelt versuchte ich, nach Luft zu schnappen. Es ging nicht. Ich drohte zu ersticken.
Die Kreide war mir entfallen. Nur den Dolch hielt ich noch mit der linken Hand umklammert.
Ächzend drehte ich den Kopf hin und her. Ich rang nach Atem, saugte gierig etwas Luft ein. Mein Blick klärte sich für einen Moment. Entsetzt erkannte ich, daß meine rechte Hand schlaff auf dem Boden lag und ein Stück über den Kreidekreis reichte.
Ehe ich sie zurückziehen konnte, war Suko heran, packte meine Hand und zog daran. Ich war völlig wehrlos, als er mich über die Kreidelinie zerrte. Die Felge hatte mich zwar nicht getötet, aber weitgehend außer Gefecht gesetzt. Ich hatte nicht mehr die Kraft, meinen Freund abzuwehren.
Es blieb mir nur eines. Der silberne, geweihte Dolch.
Mit letzter Kraft hob ich die linke Hand und richtete die Spitze gegen Suko. Ich wollte ihn nicht töten oder verletzen. Ich mußte ihn nur zurücktreiben.
Der Griff, der mit Symbolen der Weißen Magie versehen war, erhitzte sich in meiner Hand. Beinahe hatte ich nicht mehr die Kraft, den Dolch zu halten. Trotzdem zielte ich damit auf meinen Freund.
Seine starren Augen weiteten sich. Angst und Wut mischten sich in seinem Gesicht. Keuchend taumelte er ein paar Schritte zurück.
Der Dolch wirkte nicht gegen ihn, sondern gegen die böse Kraft, die ihn in ihren Klauen hielt.
Suko torkelte auf die Kreidelinie zu. Er merkte es im letzten Augenblick, versuchte stehenzubleiben, ruderte mit beiden Armen durch die Luft. Er schaffte es nicht mehr.
Mit einem grauenhaften Aufschrei tat er den letzten Schritt und trat mitten auf den magischen Kreidekreis.
Er bäumte sich wie unter einem elektrischen Schlag auf, stand einen Moment noch aufrecht und brach zusammen.
Ich war gerettet, aber um welchen Preis? Hatte ich soeben einen Freund verloren?
***
Offiziell lag nichts gegen Jeremy Landrope, den Generalmanager der Raffinerie, vor. Scotland Yard hielt den Mann nur an ›langer Leine‹, das heißt, daß seine Bewacher im Hintergrund blieben und er weiterhin seinen Posten einnahm.
Daher fand auch niemand etwas dabei, daß der Generalmanager der Raffinerie noch um sechs Uhr abends in seinem Büro war. Keiner der Yardleute konnte
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