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0041 - Die Treppe ins Nichts

0041 - Die Treppe ins Nichts

Titel: 0041 - Die Treppe ins Nichts
Autoren: Franc Helgath
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in sein Verließ hinunterholen. Doch ich bin ihm entwischt. Der Arm blieb eben zurück.«
    Zamorra wollte mit einer Frage nachhaken, doch ein flammender Blick aus den Augen des Einarmigen warnte ihn. Es schien ganz so, als könne dieser Mann Gedanken lesen. Oder aber auch seine Kombinationsgabe war ungeheuer entwickelt. Deshalb stellte Zamorra eine andere Frage.
    »Und woher wollen Sie so definitiv wissen, was der Geist des Henkers mit dem Verschwinden von Piere Laguère zu tun hat?«
    »So? Piere Laguère hieß er also? Aber Ihre Frage ist einfach zu beantworten: Weil ich dabei war.«
    Zamorra schaute ihn nur verständnislos an.
    »Aber Sie müssten das doch kennen, Professor«, meinte Vincente fast höhnisch. »Das ist doch Ihr Forschungsgebiet. Ich habe gerade eine Astralwanderung gemacht. Sie kennen das doch. Man versetzt sich in Trance. Das eigene Ich schwebt über den Körper hinaus, und man kann jeden beliebigen Punkt auf der Erde aufsuchen und zuschauen, was dort eben passiert. So kam ich auch dazu, wie der Bä- cker verschwand. Es war reiner Zufall. So wurde ich Zeuge, wie die Franzosen in den Bannkreis seiner Burg gerieten und dort verschwanden. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Und jetzt bin ich müde. Würden Sie mich bitte wieder verlassen?«
    Zamorra starrte den Mann an, der aussah wie ein argloser Fakir und redete wie ein Professor an der Sorbonne. Die Ungeheuerlichkeiten, die er dabei behauptete, kamen ihm über die Lippen, als würde er ihm etwas vollkommen Belangloses erzählen.
    Zamorra wusste, dass es Menschen gab, die die seltene Gabe besaßen, ihren leiblichen Körper von ihrem Astralkörper, von ihrem Od zu trennen. War Vincente so ein Mensch?
    Er sprach so sicher von dem, was er tat. Doch sprach er auch die Wahrheit?
    Etwas in Zamorra hinderte ihn daran, jedes Wort für bare Münze zu halten. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Die Haut zog sich zusammen. Er fröstelte plötzlich, obwohl es in der Höhle stickig heiß war.
    »Kann ich Sie wieder mal besuchen?«, fragte Professor Zamorra.
    Der Mann hob seine eckigen Schultern. »Warum nicht. Schauen Sie wieder mal vorbei, wenn Sie nicht weiterkommen.«
    »Gestatten Sie noch eine letzte Frage?«
    »Meinetwegen, aber es ist die allerletzte.«
    »Wo finde ich die weiße Burg?«
    »Sie werden sie gar nicht finden. Es gibt sie nicht mehr.«
    »Ich dachte auch mehr an den Platz, an dem sie einst stand.«
    »Nun, den Gefallen kann ich Ihnen noch tun.«
    Vincente, der einarmige Astralseher, schilderte haarklein, wo Professor Zamorra den Standplatz der weißen Marmorburg des Henkers von Saratoga finden würde.
    ***
    Nicole wartete bereits ungeduldig. Sie fror in ihrem roten Kleidchen.
    Die Zeit in der Höhle war ungeheuer schnell vergangen. Der Himmel wurde bereits silbergrau, und im Osten rückten die Schatten der Nacht über die Berge.
    Etwas hilflos stand die Sekretärin da, und der Vorwurf in ihrem Blick war nicht zu übersehen.
    Zamorra erklärte kurz, was er erfahren hatte. Während sie den gewundenen Pfad zurückgingen, sagte er auch, dass er mit diesem Vincente nicht klar gekommen sei. Etwas war mit diesem Mann nicht in Ordnung.
    »Er ist mir im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich«, sagte der Professor. »Besonders stört mich die innere Inkonsequenz seiner Persönlichkeit. Ein Mann der Kant liest und Astralwanderungen unternimmt, das gibt es doch gar nicht. Beides schließt sich aus.«
    »Mir ist nur der Geruch aufgefallen«, warf Nicole ein und rieb sich fröstelnd die nackten Arme. »Es hat nicht eigentlich gestunken, es war anders.«
    »So wie Moder vielleicht?«
    Nicole blieb stehen und machte große Augen. »Genau das ist es, Chef, es hat gerochen wie nach Moder. So als stünde man vor einer Gruft, die schon seit Jahrhunderten nicht mehr geöffnet worden war.«
    Sie hatten Ainsa erreicht. Als sie belebtere Straßen betraten, unterbrachen sie ihre Unterhaltung.
    Im Hotel zurück, kleideten sie sich um für den Abend. Zamorra wählte eine Kombination aus dunkelbrauner Hose und grau kariertem Sakko, während Nicole sich in Schale warf. Ihrer Meinung nach musste man überall bestens angezogen sein. Seit ein paar Tagen waren ihre Haare rot gelockt und dazu trug sie ein giftgrünes Chiffonkleid, das ihre zierliche Figur hervorragend zur Geltung brachte.
    Schon die minderjährigen Pagen wandten sich um, als sie die Treppe herunterkam.
    Zamorra und sie mieden den großen Speisesaal, auch wenn er nur halb besetzt war. Am Nachmittag waren
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