0042 - Der Totenbeschwörer
aus der gebückten Haltung hoch.
Hart umklammerte Bill meinen rechten Arm. Mit der freien Hand deutete er dorthin, wo sich der Haupteingang des Friedhofs befand.
Und da sah ich sie.
Menschen!
Frauen und Männer. Sie schritten nebeneinander her und gingen in direkter Linie auf die Grabreihen zu…
***
Dieser Trottel, dachte Elisa Hanson. Er ahnt nicht einmal etwas. Glaubt, daß ich mich hinlegen werde.
Die Frau kicherte. Sie stand völlig unter dem dämonischen Einfluß des Magiers.
Das Schlafzimmer des Ehepaares lag im ersten Stock. Auf Zehenspitzen schritt Elisa die Stufen hoch. Sie machte kein Licht, sondern bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit. Vor ihrer Schlafzimmertür blieb sie einen Moment stehen und drückte dann die Klinke. Sie betrat den dunklen Raum.
Schwaches Mondlicht fiel durch das Fenster und zeichnete die Umrisse des Betts und die Konturen des großen Schranks nach. Auf dem Bett lag Elisas Mantel. Sie hob ihn hoch und schaute mit glänzenden Augen auf die Peitsche hinab, die ihr Myxin überlassen hatte.
Ihre Fingerkuppen strichen über den Griff. Er war aus einem besonderen Material gefertigt, fühlte sich hart, aber dennoch seltsam warm an. Als würde die Peitsche ein Eigenleben führen.
Elisa nahm sie in die Hand, deutete damit auf den Boden und beschrieb einen Kreis.
Sofort zuckten die drei Schnüre heraus und ringelten über den Fußboden. Sie flirrten und flimmerten grünlich. Die Frau konnte nur ahnen, welche eine Kraft in ihnen steckte.
Sie beschloß, eine Probe aufs Exempel zu machen. Sie hob die Peitsche an und schlug damit gegen den Bettkasten.
Nichts geschah. Kein Holz splitterte ab. Die Frau war enttäuscht. Sie war überzeugt, daß die Wirkung der Peitsche bei Menschen einsetzen würde.
Elisa Hanson streifte ihren Mantel über. Die Dämonenpeitsche verstaute sie in der tiefen Tasche, so daß nur noch ein Teil des Griffs herausschaute.
Dann wandte sie sich wieder der Tür zu. Sie wollte nicht länger als unbedingt nötig in ihrem Schlafzimmer verweilen. Vorsichtig zog sie die Tür auf und lauschte.
Von ihrem Mann war nichts zu hören. Er befand sich noch immer unten im Wohnzimmer.
Dieser ahnungslose Narr. Wenn er versucht hätte, sie aufzuhalten, hätte Elisa ihn umgebracht. Dazu war sie fest entschlossen. Die Jahre, die sie mit ihrem Mann gemeinsam verbracht hatte, waren vergessen. Myxin, der Magier, hatte das Gute in der Frau zurückgedrängt, wenn nicht sogar zerstört.
Elisa betrat den Gang. Ein paar Schritte weiter befand sich die Tür, hinter der Jills Zimmer lag. Sie hatte bereits bei ihrer Tochter vorbeigeschaut und sich sagen lassen, wo der alte Hanson hingeschafft worden war.
In den Keller!
Elisa griff in die andere Manteltasche und fühlte das kalte Metall des Schlüssels zwischen ihren Fingern. Mit ihm würde sie das Schloß öffnen, und dann war der Nachzehrer frei!
Gemeinsam wollten sie zum Friedhof zurück, um die große Aufgabe zu beenden.
Sie ging vor bis zur Treppe. Elisa hielt sich am Rand, als sie nach unten stieg. Hin und wieder bewegte sich das Holz der Stufen, aber das war auch alles. Die Laute, die dabei entstanden, waren nicht so stark, daß sie bis an Lesters Ohren drangen.
Als Elisa aus dem Wohnraum Stimmen hörte, blieb sie stehen. Hatte Lester Besuch?
Nein. Sehr bald stellte sie fest, daß die Stimmen aus dem Fernsehapparat drangen. Lester gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin. Er hockte vor der Flimmerkiste.
Selten war die Frau so froh darüber gewesen. Ihretwegen konnte er bis zum Sendeschluß vor dem Kasten hocken bleiben.
Sie entfernte sich von ihrem Lauschposten und dachte plötzlich an ihre beiden Kinder.
Gaylord und Michael waren ebenfalls zwei Unbekannte in ihrer Rechnung. Elisa überlegte, ob sie noch einmal zu ihnen gehen sollte, aber die Zeit drängte. Elisa wollte so rasch wie möglich auf dem Friedhof erscheinen, damit der Magier nicht zu lange warten brauchte. Schließlich hatte er ihr Leben verändert, und enttäuschen durfte sie ihn nicht.
Zahlreiche Nachzehrer lagen in den Gräbern. Bisher hatte Elisa nichts davon gewußt, daß sich der Horror so auf den Friedhof und dessen unmittelbare Umgebung konzentrierte. Sie wußte auch nicht, weshalb dies so war, vielleicht hatte es in der Vergangenheit irgendein Ereignis gegeben, dessen Tragweite jetzt erst voll erkennbar wurde.
Die Kellertür war nicht verschlossen. Das Schloß war seit Monaten schon eingerostet. Lester hatte es immer auswechseln wollen,
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