0042 - Der Totenbeschwörer
entstehen.
Längst waren die Wege zugewachsen. Nicht einmal Pfade konnten wir erkennen. Wir bewegten uns quer durch das Gelände.
Es war eine unheimliche Szenerie. Hin und wieder steckte ein uralter Grabstein schief im Boden. Dann wiederum war es ein Steinkreuz, das im Dunst des Bodennebels eine andere Gestalt annahm.
Es war stockfinster. Bei wolkenverhangenem Himmel hätten wir überhaupt nichts sehen können. Der Halbmond stand über uns wie eine blasse Banane.
Bill schritt etwas versetzt hinter mir. Plötzlich hörte ich ihn gedämpft fluchen.
»Was ist?« Ich wandte den Kopf.
Bill stand gebückt da. Er war in ein Wasserloch getreten. Eine dünne Eisschicht hatte es verdeckt, und sie war unter Bills Last eingebrochen.
Bis zum Knöchel stand mein Freund in der Brühe. Als er das Bein herauszog, war der Fuß tropfnaß. Zusätzlich war ihm das Wasser in den Schuh gelaufen.
»Wenn du mit dem linken Fuß schneller läufst, trocknet er auch rascher«, kommentierte ich sein Unglück.
Bill schlug mit den Händen gegen sein nasses Hosenbein. »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aber es kommt der Zeitpunkt, da lache ich.«
Erst einmal lachten wir nicht mehr, denn die unheimliche Umgebung nahm uns gefangen. Obwohl ich mich als ziemlich abgebrüht bezeichnen kann, gehört es nicht gerade zu meinen Hobbys, nachts über einen verlassenen Friedhof zu schleichen. Wir schlichen in der Tat. Wir verursachten so wenig Geräusche wie nur möglich, um unsere Gegner nicht frühzeitig zu warnen.
Ich glaubte dem Nachzehrer. Bestimmt befanden sich seine Artgenossen noch in den kalten Gräbern, doch ich war sicher, daß sie noch in dieser Nacht ihre makabren Stätten verlassen würden – wenn es uns nicht gelang, Myxin, den Magier, auszuschalten.
Die Erinnerung an den Dämon war für mich ein Stichwort. Wir würde er sich verhalten, wenn wir ihm gegenüberstanden? Würde er uns eine Chance geben? Myxin war eine mehr als zwielichtige Person. Einerseits war er auf uns angewiesen – wir bekämpften schließlich auch seine Feinde – andererseits haßte er uns. Wenn ich das Gedankenspiel fortsetzte, so kam ich zu dem Schluß, daß Myxin uns töten würde, wenn er Verbündete und somit Macht besaß. Und Helfer wollte er sich in dieser Nacht holen.
Wir erreichten die unsichtbare Grenze zwischen dem alten und dem neuen Teil des Friedhofs. Ab jetzt hieß es, noch vorsichtiger zu sein.
»Wir nehmen jeweils hinter den Bäumen Deckung«, flüsterte ich meinem Freund zu.
Bill nickte.
Trauerweiden und Buschreihen grenzten die einzelnen Grabfelder ab. Neben einer rostigen Wassertonne blieben wir stehen. Schräg vor uns lag der Teil des Friedhofes, auf dem am frühen Nachmittag die Beerdigung unseres Kollegen stattgefunden hatte.
Die noch blanken Kreuze der frischen Gräber schimmerten im herabfallenden Mondlicht. Ein Nachtvogel rauschte über unsere Köpfe hinweg, und wir zuckten unwillkürlich zusammen, als wir das Geräusch der sich auf- und abbewegenden Schwingen vernahmen.
Wir versuchten mit unseren Augen die Dunkelheit zu durchdringen, doch je länger wir starrten, um so verschwommener wurde alles.
Von Myxin sahen wir nichts.
Ich stieß Bill an. »Gehen wir!« raunte ich.
Der Reporter blieb wieder dicht hinter mir. Bill hatte seine rechte Hand in die Manteltasche gesteckt, wo sie den Griff der Beretta umklammerte.
Dann standen wir an den ersten Gräbern.
Von Nachzehrern war gesprochen worden. Von Kreaturen, die harmlose Menschen in ihr Grab zogen. Diese Nachzehrer machten sich durch Geräusche bemerkbar. Wenn sie sich also in den Gräbern vor uns befanden, mußten wir sie hören.
Wir lauschten.
Bill gab wieder seinen unvermeidlichen Kommentar. Das tat er immer, wenn die Spannung wuchs.
»Jetzt möchte ich Mr. Spock aus der Serie Enterprise sein.«
»Warum?«
»Der hat längere Ohren.«
Aber auch ohne Mr. Spocks Ohren vernahmen wir schräg vor uns ein saugendes, schmatzendes Geräusch.
Zwei Schritte brachten uns an das Grab.
Ich beugte mich vor.
Die aus dem Grab kommenden Laute, waren so widerlich, daß mir eine Gänsehaut über den Körper lief. Dazu kam noch ein Klopfen. Der Nachzehrer wollte raus, und sein Bemühen, sich bemerkbar zu machen, wurde auf unerklärliche Weise verstärkt.
Einen hatten wir entdeckt!
Aber wie viel lagen noch unter der feuchten Erde? Und wo versteckte sich Myxin?
»John!« Bill Conolly zischte meinen Namen. Irgend etwas hatte meinen Freund erschreckt.
Ich kam
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