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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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und zehn unglückliche Seelen zu ihren Ahnen versammeln, hieß es. Und wenn tausend Jahre um seien und der Alte zum zehnten Mal wiederkehre, werde er die Vergangenheit lebendig werden lassen und aus Thule wieder eine Heimat für die Götter machen.«
    Einen Moment lang blieb es still.
    »Die Zeitschranke«, sagte Zamorra leise. »Keine Grenze mehr zwischen Heute und Gestern.«
    Bill sah ihn an. »Du nimmst das doch nicht etwa ernst, eh?«
    Der Professor hob die Schultern. »Man sollte alte Legenden dieser Art jedenfalls auch nicht einfach abtun. Du bist Wissenschaftler, Bill, und du hast bisher alles, was dir an übersinnlichen Dingen begegnet ist, als Suggestionen oder Trugbilder erklärt. Aber Charles Maruth und Patricia Niles sind tot, und sie sind jedenfalls nicht von einem Trugbild, einer Projektion ihrer eigenen Phantasie umgebracht worden. Wir werden entweder eine reale Todesursache finden, oder du wirst nicht umhinkönnen, deine Ansichten über die Realität zu überdenken.«
    »Möglich«, gestand Bill zu. »Und was tun wir als Erstes?«
    »Wir sprechen mit diesem Will Sullivan. Vielleicht führt er uns zu der Stelle, wo er die Leichen entdeckt hat.«
    Sie verließen das Hotel, nachdem sie sich erkundigt hatten, wo sie einen Leihwagen bekommen konnten. Zamorra, der schon einmal einen Urlaub auf der Insel verbracht hatte, wählte in weiser Voraussicht einen Landrover, und er wunderte sich auch nicht über den Preis, da er wusste, dass Island zu den Ländern mit dem höchsten Lebensstandard der Welt gehört. Sie fuhren ins »Vikingfjord«, und dort trafen sie Will Sullivan an der Hotelbar.
    Der dicke, rotgesichtige Tourist hatte Cola und Aquavit vor sich stehen. Zamorra übernahm die Vorstellung. Sullivan wirkte zuerst misstrauisch und ablehnend – aber der geballten Ladung von Nicoles Charme konnte auch er nicht widerstehen.
    Bereitwillig erzählte er, wie er die beiden Toten gefunden hatte.
    Man merkte ihm an, dass er die Geschichte nicht zum ersten Mal zum Besten gab – er berichtete detailliert und mit dramatischen Effekten. Nicoles Interesse ging ihm wie Honig ein. Die junge Frau hatte das Kinn in die Hände gestützt. Die hellen Strähnen in ihrem dunklen Lockenschopf leuchteten wie Flämmchen, Goldfunken tanzten in ihren Augen, und sie verwöhnte ihr Gegenüber mit Blicken, unter denen er sich mehr und mehr als Held fühlte. Entsprechend bereitwillig sagte er zu, als Zamorra ihn bat, mit ihnen zu der Höhle zu fahren, wo er die Toten gefunden hatte. Gemeinsam verließen sie das »Vikingfjord« und kletterten in den Landrover, und der Dicke schien lediglich ein bisschen enttäuscht, dass er neben Bill im Fond sitzen musste, während Nicole auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
    Zamorra steuerte den geländegängigen Wagen in Richtung Flugplatz hinaus. Ihr Ziel war die Landzunge zwischen Eyja-Fjord und Skagafjord – eine Wildnis, in der es nicht mehr als drei weit verstreute kleinere Ansiedlungen gab, ein paar Gehöfte dort, wo das spärliche Gras Schafe ernähren konnte, und vereinzelte Fischerhäuser an den zerklüfteten Steilküsten. Dass sie die immerhin mehr als 400 Kilometer lange Strecke nicht mit dem Wagen zurücklegen konnten, verstand sich von selbst. Mit einer Fokker Friendship der Loftleidir erreichten sie Islands zweitgrößte Stadt Akureyri binnen einer Stunde, und dort nahmen sie erneut einen Leihwagen – diesmal ein bizarres, hochrädriges Spezialfahrzeug auf der Basis eines Buggy, von dem der Verleiher behauptete, man könne damit notfalls auf dem Mond fahren.
    Das war auch notwendig, denn die Straße in Richtung Siglafjördur an der Nordspitze der Landzunge erwies sich als einfache Sand-Lehm-Schotter-Piste in miserablem Zustand. Der Wagen schaffte Geröllbrocken, einen mittleren Erdrutsch, zwei tiefe Bäche quer zur Fahrbahn – aber die Insassen wurden kräftig durchgeschüttelt. Will Sullivan ächzte ein paar Mal, seinem feisten Gesicht sah man an, dass ihm mehr und mehr unheimlich zumute wurde, und vermutlich war es nur die Anwesenheit Nicoles, die ihn daran hinderte, das ganze Unternehmen einfach abzubrechen.
    Sie hatten etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sich weit vor ihnen ein Vogelschwarm in den wolkenverhangenen Himmel schwang.
    Sie achteten nicht darauf.
    Zamorra registrierte flüchtig die Größe der Tiere, aber aus der Entfernung konnte er noch nichts Ungewöhnliches an ihnen entdecken.
    Die abenteuerliche Piste erforderte volle Konzentration. Vorsichtig lenkte er

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