0047 - Der Alptraum-Garten
Steg, der weit ins Wasser hineinragte und an dem noch einige Boote dümpelten. Andere waren unterwegs. Die Wochenendfischer fuhren auf den See hinaus, um ihre karge Beute zu fangen. Viel brachte das nie.
Das von der Insel kommende Schiff sah seltsam plump aus. Es hatte einen breiten Bug und erinnerte mich in der Form an eine Fähre. Es war ziemlich schwer gebaut, deshalb schaukelte es kaum auf den anlaufenden Wellen. Wie ein Panzer näherte es sich dem Ufer.
Zehn Minuten mußte ich noch warten, bevor das Schiff anlegte. Ich schaute es mir genauer an und sah das breite Deck, eine umgeklappte Segelstange und ein Ruderhaus, aus dem Jean, der Steuermann, auftauchte. Er hatte seinen Kahn hart an die Mole manövriert, warf jetzt ein Seil, sprang von Bord und machte das Schiff fest.
Ein paar Kinder schauten ihm aus respektvoller Entfernung zu. Sie halfen jedoch nicht, wie sie das bei einem anderen sicherlich getan hätten. Die Eltern hatten es ihnen verboten.
Ich löste mich von meinem Beobachterplatz und ging auf Jean zu, der soeben von Bord kletterte.
Wir trafen uns auf halbem Weg.
»Monsieur Jean?« fragte ich.
Er blieb stehen und schaute mir ins Gesicht. Dabei legte er seinen Kopf in den Nacken. »Was wollen Sie?« Seine Augen verengten sich. »Lassen Sie mich durch.« Er redete in einem Französisch, das ich nur schwerlich verstehen konnte, obwohl ich mir Mühe gab.
»Ich möchte mit Ihnen reden, Monsieur Jean.«
»Nein.«
»Nur ein paar Worte.«
Der Alte holte tief Luft. Ich schaute in sein Gesicht und sah den blanken Haß in seinen Augen leuchten. Haß, der gegen mich gerichtet war. Dieser Mann war beeinflußt worden – oder aber, er war ein Typ, der alle Menschen verachtete.
Jean trug einen alten Regenmantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Auf dem Kopf saß eine Strickmütze. Sie verdeckte das Haar. Seine Füße steckten in ausgelatschten Schuhen.
Mein letzter Versuch. »Ich möchte mit Ihnen über Madame La Grange reden.«
»Gehen Sie mir aus dem Weg!«
Da trat ich zur Seite. Zwingen konnte ich den Mann nicht, aber er hatte sich durch sein Verhalten mir gegenüber sehr verdächtig gemacht. Ich schaute ihm nach, wie er den Weg hochging und in einer Seitenstraße verschwand.
Sein Kahn dümpelte noch auf den Wellen.
Irgendwie reizte mich das Schiff, es einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ich schaute mich um, ob ich nicht beobachtet wurde, sah, daß dies nicht der Fall war und schlenderte auf den Kahn zu.
Die Holzbohlen des Stegs bogen sich unter meinem Gewicht etwas durch. Der Wind ließ meine Kleidung flattern. Vom Steg aus sprang ich auf die Planken des Kahns. Mich interessierte besonders das Ruderhaus. Mit raschen Schritten huschte ich darauf zu…
***
Der Dämon lag auf dem Rücken.
Nur wenig Licht drang durch die Holzaufbauten des Ruderhauses. Einer dieser hellen Streifen traf die steinernen Beine des Ritters.
Noch rührte sich der Koloß nicht. Völlig ruhig lag er da und wartete ab. Doch plötzlich regte er sich.
Von einem Augenblick zum anderen war es vorbei mit der Starre. Der Ritter richtete sich auf.
Etwas hatte ihn erschreckt.
Ruckartig hob er den schweren Oberkörper an. Seine rechte Hand wanderte weiter und umfaßte den Griff des Kampfschwerts. Mit jeder Faser seines, dämonischen Körpers spürte er das andere, das sich auf dem Schiff bewegte.
Jemand kam!
Und dieser Jemand war sein Feind. Deutlich spürte er die Ausstrahlung. Sie bereitete ihm Unwohlsein, und das sonst glatte, steinerne Gesicht des Ritters verzerrte sich.
Schritte!
Sie näherten sich der Tür und verstummten dort.
Der Dämon stieß einen Knurrlaut aus, wobei er sich vollends aufrichtete, dabei jedoch den Kopf einzog, damit er nicht gegen die Decke des Aufbaus stieß.
Mit einem Ruck zog er das Schwert aus der Scheide. Innerhalb von Sekunden war aus der Steinfigur ein dämonisches Wesen geworden, das auf Vernichtung programmiert war. Nur noch die graugrüne Haut zeugte davon, aus welchem Material dieser Dämon tatsächlich bestand.
Er bewegte die Hand mit dem Schwert und hielt die Waffe dann so, daß er sofort zuschlagen konnte, wenn der Unbekannte die Kajüte betrat. Die geheimnisvolle Aura wurde noch stärker, und der Ritter wußte, daß sein Feind jetzt vor der Tür lauerte und jeden Moment eintreten konnte.
Schon bewegte sich die eiserne Klinke.
Jetzt mußte er kommen…
***
Lustlos stocherte Maurice Marac in seinem Mittagessen herum. Schwere Sorgenfalten kerbten seine Stirn. Er war
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