0047 - Der Alptraum-Garten
schweigsam wie selten, und das fiel natürlich auch seiner Frau und den Kindern auf.
Während der Nachwuchs die Teller geleert hatte und nach draußen gelaufen war, legte Maurice die Gabel weg. Selbst der rote Landwein schmeckte ihm nicht mehr. Claudine Marac schaute auf ihren Mann. Früher war sie eine sehr hübsche Person gewesen, aber das harte Leben und die Erziehung der drei Kinder hatten ihre Spuren hinterlassen. Claudine sah älter aus, als sie mit ihren fünfunddreißig Jahren war. Nur in den Augen leuchtete nach wie vor die Schönheit der Jugend.
»Was ist denn los mit dir, Maurice? Du ißt nichts, stierst auf deinen Teller, stocherst lustlos im Essen herum und sagst keinen Ton. Etwas stimmt doch da nicht. Hast du Kummer?«
Maurice lehnte sich zurück: »Nein. Eigentlich nicht.«
»Was ist es dann?«
»Ich weiß es nicht.«
Claudine bohrte weiter. »Bist du krank?«
Kopfschütteln.
Seine Frau stand auf. »Dann kann ich dir auch nicht helfen«, sagte sie und räumte den Tisch ab.
Maurice griff nach den Zigaretten in der hellblauen Packung. Er zündete sich eine Schwarze an und blies den Rauch gegen die Decke, während seine Gedanken auf Wanderschaft gingen.
Fremde waren in den Ort gekommen. Aber unter ihnen befand sich auch der junge englische Reporter, und er war bestimmt zurückgekehrt, um seinen Kollegen zu treffen.
Doch der war tot. Aufgebahrt lag er im Spritzenhaus. Maurice Marac machte sich die bittersten Vorwürfe, daß er den Reportern damals den Tipp gegeben hatte. Sicherlich würden sie ihn aufsuchen und unangenehme Fragen stellen.
Ob die anderen Männer von der Polizei waren?
Es schellte.
Maurice zuckte regelrecht zusammen. Er wollte aufstehen, doch seine Frau stand näher an der Tür. »Ich öffne schon!« rief sie.
Plötzlich begann Maurice zu schwitzen. Die Kleidung klebte ihm förmlich am Körper. Und als er von der Tür her die Stimme des Engländers hörte, hatte er die endgültige Gewißheit.
Jetzt steckte er in der Zwickmühle.
Seine Frau betrat das Zimmer. Auf ihrem Gesicht lag ein ungläubiger Ausdruck. »Die Herren möchten mit dir reden, Maurice. Einer behauptet, dich zu kennen.«
Marac nickte. »Ja, schon gut.« Er stand auf und bot den Ankömmlingen Platz am Küchentisch an. Seine Frau blieb bei der Tür stehen.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte er und erkannte seine Stimme kaum wieder. »Einen selbst gebrannten Calvados vielleicht?«
Tom Jeffers und Bill Conolly sagten nicht nein, während Suko ablehnte. Dann stellte Tom die Männer einander vor.
Claudine servierte den Schnaps.
Man trank.
Als sie die Gläser abgestellt hatte, sagte Tom Jeffers: »Kommen wir zur Sache, Monsieur Marac. Sie können sich bestimmt denken, weshalb wir hier sind.«
Marac nickte.
Tom Jeffers fuhr fort. »Es geht um meinen Freund und Kollegen Pierre Balmain. Er ist tot. Auf der Insel ermordet worden. Ich habe mich nur mit letzter Kraft retten können.«
»Ich weiß, daß Ihr Kollege ermordet worden ist«, sagte Marac.
»Wie?« Auf Jeffers Gesicht stand die Überraschung geschrieben. Er blickte die anderen an, und auch Suko und Bill wunderten sich.
Maurice Marac trank sein Glas leer. »Ich möchte es Ihnen erklären. Die Leiche Ihres Kollegen wurde gestern morgen hier ans Ufer gespült. Innerhalb des Sees herrschen Strömungsverhältnisse, die alles an unserem Ufer anschwemmen. Sei es nun Treibgut oder eine Leiche. Ich selbst habe den Toten entdeckt.«
Tom Jeffers war aufgeregt. »Und dann? Was geschah dann?«
»Ich war allein, als der Tote angetrieben wurde. Ich holte die Männer aus dem Dorf zu Hilfe, und gemeinsam haben wir die Leiche geborgen.«
»Wo ist sie jetzt? Haben Sie meinen Freund begraben?«
»Nein. Wir haben sie noch aufgebahrt. Und zwar im Spritzenhaus der Feuerwehr. Heute Abend soll darüber entschieden werden, was mit dem Toten geschieht.«
Tom wischte sich über das Gesicht, während Marac in einer hilflosen Geste die Schultern hob. »Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann«, meinte er. »Ich mache mir sowieso schon die größten Vorwürfe, daß ich mit Ihnen, Monsieur Jeffers, überhaupt gesprochen habe.«
»Das war uns immerhin hundert Franc wert.«
»Ich weiß.«
»Also daher ist das Geld«, mischte sich Claudine Marac in das Gespräch. »Dann hast du mich angelogen, Maurice.«
»Sei froh, daß ich dir überhaupt etwas gesagt habe.«
Madame Marac schwieg.
Bill fand es an der Zeit, das Gespräch weiterzuführen. »Dann wissen Sie, was auf der
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