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0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1

0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1

Titel: 0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unser Staatsfeind Nummer 1
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einladende Handbewegung. Ich ging vor ihm in die Bibliothek, einen großen ausgetäfelten Raum, der bis unter die Decke mit Büchern vollgestopft war, die allerdings zum größten Teil medizinische Fachliteratur darstellten, wie man an ihren Tilteln erkennen konnte.
    Er bot mir einen Platz an und setzte sich selbst, nachdem er seinen Mantel über einen anderen Sessel geworfen hatte.
    »Nun?« fragte er.
    »Haben Sie heute morgen schon die Zeitungen gelesen?« fragte ich ihn.
    Er schüttelte seinen Kopf.
    »Dazu komme ich meistens erst abends, wenn ich überhaupt dazu komme. Heute morgen war wieder einmal der Teufel los in der Klinik. Ich kam aus dem OP überhaupt nicht heraus. Wenn nicht mein Kollege Snyder die letzte Operation für mich übernommen hätte, wäre es mir nicht einmal möglich gewesen, mich selbst um meine Frau zu kümmern. Und dann fragen Sie mich, ob ich schon die Zeitungen gelesen hätte!«
    Er schnaufte verächtlich.
    Ich ließ mich nicht beirren.
    »Wann haben Sie ihre Tochter zuletzt gesehen?«
    Er überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Gestern mittag — nein, stimmt ja nicht. Gestern früh beim Frühstück. An sich ist das sehr selten. Beim Frühstück sehe ich meine Tochter fast nie. Lizzy trainiert für irgendein Sportfest ihres College, und sie wählt sich für ihr Training immer die ersten Morgenstunden, so daß sie meistens schon aus dem Hause ist, wenn wir erst ans Aufstehen denken.«
    »Gestern abend haben Sie sich also nicht gesehen?«
    »Nein, das sagte ich doch schon.«
    »Fanden Sie das nicht ein bißchen auffällig, daß Ihre Tochter zum Frühstück nicht erschien, beim Mittagessen nicht da war und während des Abendessens sich auch nicht sehen ließ?«
    Er runzelte die Stirn und sah mich tadelnd an.
    »Mein lieber junger Mann«, sagte er in dem gönnerhaftstrafenden Ton eines schlechten Lehrers, »erstens war sie ja gestern zum Frühstück da! Zweitens haben Sie anscheinend keine Ahnung davon, daß man eine Achtzehnjährige nicht mehr am Hause festbinden kann. Lizzy ist ein ziemlich erwachsenes Mädchen, sie hat Freundinnen und Freunde, mit denen sie abends gelegentlich ausgeht, und sie soll nicht das Gefühl haben, als wollten wir ihre Freiheit, die ihr wie jedem anderen erwachsenen Bürger dieses Landes zusteht, einengen oder gar willkürlich beschränken. Haben wir uns verstanden?«
    Ich nickte. »Ihre Deutlichkeit ließ ja nichts zu wünschen übrig. Aber Sie gestatten mir, daß ich es trotzdem etwas seltsam finde, wenn Eltern ihr Kind geschlagene vierundzwanzig Stunden oder noch länger nicht zu Gesicht bekommen, ohne daß sie anfangen, sich langsam darüber Gedanken zu machen.«
    »Ich verbitte mir jede Kritik an meinem Verhalten«, schnaufte er. »Das steht Ihnen nicht zu. Kommen wir endlich zur Sache. Ihren Fragen, die sich ausnahmslos auf meine Tochter bezogen, entnehme ich, daß Lizzy also wieder mal einen sehr dummen Streich gemacht hat. Ich gebe zu, daß ich das bei ihr gewöhnt bin. Lizzy ist jung und ein bißchen zu temperamentvoll. Aber nehmen Sie bitte folgendes zur Kenntnis, Mister: Ganz egal, was meine Tocher auch immer angestellt haben mag, ich stehe voll und ganz zu ihr und werde für alles aufkommen, was sie angerichtet hat. Und jetzt darf ich Sie wohl ersuchen, mich endlich zu informieren. Was hat Lizzy angestellt?«
    »Sie ist tot.«
    Ich sagte nur diese drei Worte. Er sah mich an, als hätte ich chinesisch geredet.
    »Was ist sie…?« wiederholte er gedehnt.
    »Sie ist tot.«
    Seine Augen wurden ganz langsam groß. Die Lider bewegten sich unnatürlich lange Zeit nicht. Dann mußte er ein paarmal schlucken, bevor er mühsam hervorpressen konnte: »Aber… das ist — das ist doch wohl nicht möglich!« Seine Stimme war brüchig und völlig tonlos, sie steigerte sich aber zu immer größerer Lautstärke, als er beschwörend fortfuhr: »Das ist doch ganz bestimmt ein Irrtum, was? Eine Verwechslung, nicht wahr? Kann ja Vorkommen! Eine Verwechslung, nicht wahr? Irgendeine Täuschung, sicher! Ganz bestimmt! Eine Verwechslung! .Lizzy kann ja nicht tot sein! Sie ist doch — sie ist doch erst achtzehn Jahre, verstehen Sie denn das nicht?«
    Er brüllte mir den letzten Satz ins Gesicht und machte den Eindruck, als wollte er sich gleich auf mich stürzen.. Mitten in diese wahnsinnige Aufregung hinein tönte plötzlich schrill die Klingel an der Haustür.
    Er sprang auf wie von einem Skorpion gestochen.
    »Da!« schrie er, während er so schnell zur Tür

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