0049 - Der blaue Tod
gewesen!«
»Gewesen?« Sie stieß sich von der Fensterbank ab und trat ihm entgegen. »Mit dir ist wirklich kein Blumentopf zu gewinnen. Hast du denn keinen Durst nach Abenteuer – nach dem Ausgefallenen?«
»Nein.«
»Der Spuk ist vorüber.«
»Er kann wiederkommen.«
Sie stemmte die Fäuste in die Seite. »George! Irgendetwas hat die dreizehn Leichen aus der Gruft über Jahre, vielleicht über Jahrzehnte hinaus konserviert. Wir traten ein und sie zerfielen zu Staub. Vielleicht herrschte in der Grabkammer ein Vakuum…«
»Nein. Dort hausen die Geister. Das Böse. Der Teufel!«
»Wie kann ein aufgeweckter, moderner Mensch an so einen Mummenschanz glauben.«
Er ließ ein aufgebrachtes Schnaufen vernehmen. »Darling, du vergisst die unheimlichen Geräusche, das Seufzen und Stöhnen und Schlurfen…«
»Akustische Phänomene, die durch die besondere Beschaffenheit des Gewölbes und die Fluten des Atlantiks hervorgerufen werden«, erwiderte sie überheblich.
»Und die Tür, die plötzlich zufiel?«
»Zugwind.«
»Der Schlüssel, der sich drehte?«
»Einbildung. Du hast ja geschlottert und gewimmert wie ein Kind.«
Er hob die Schultern und ließ sie kraftlos wieder fallen. »Ich geb’s auf. Tu, was du nicht lassen kannst. Ich habe dich gewarnt.«
Sie tätschelte seine Wange. »Heißt das, dass wir bleiben?«
»Hm… ja.«
»Georgieboy!« Sie jauchzte und küsste ihn auf die Stirn. »Wir sind mit den Einrichtungsarbeiten fertig und ich werde irre Feiern organisieren, lauter fremde, verrückte Leute einladen…«
Er zuckte zusammen. »Da! Hast du das gehört?«
»Fängst du jetzt wieder mit dem Blödsinn an?«
»Ich? Ich war es nicht, der in den Keller wollte…«
»Schön.« Sie ließ ihn los und vollführte eine beschwichtigende Geste. »Streiten wir uns nicht, ich habe im Moment keine Lust dazu. Was willst du gehört haben?«
»Ein Knistern und Tuscheln«, behauptete er störrisch.
Sie trug immer noch die Pistole bei sich. Mit übertrieben graziler Bewegung gab sie die Waffe ihrem Mann. »Dann geh, Liebling. Geh und sieh nach, was los ist.«
Er wollte protestieren, aber es war etwas in ihrem Blick, das ihn zurückhielt. Er straffte sich, redete sich innerlich Mut zu, verließ die Wohnküche, trat auf den Hof der alten Festung hinaus und hielt die Pistole dabei im Anschlag.
Es war kurz nach vier Uhr und immer noch sehr dunkel. George ließ den Blick über das trutzige Mauerwerk wandern. Auf den kantigen Türmen, den Wehrgängen und dem Söller ließ sich nichts Besorgniserregendes entdecken. Das Tor war wie üblich fest verriegelt.
Es gab eine Seitentür, die aus dem Gemäuer heraus zu einem Landungssteg führte, an dem George Griffins Jacht vertäut lag. Leise quietschend schwang sie in den Angeln. George schlich darauf zu.
Er konnte sich genau entsinnen, sie ebenfalls zugeschlossen zu haben. Möglich, dass der Wind sie aufgetrieben hat, sagte er sich, möglich ist hier alles…
Er glaubte selbst nicht daran. Mit größter Selbstüberwindung schob er sich bis an die Türöffnung heran und lugte ins Freie. Dann ging alles sehr schnell.
Etwas Großes, Dunkles schwang neben ihm hoch. Harte Finger packten ihn an den Armen, am rechten Bein, an der Gurgel. Er wollte schreien, aber eine Hand presste sich gegen seine Lippen. Verzweifelt bewegte er die Pistole. Da sauste ein gnadenloser Hieb auf seine Hand nieder. Stechender Schmerz zog durch den ganzen Arm bis in die Schulter hinauf und lähmte seine Muskeln. Die Waffe entglitt seinen Fingern. Sie schlug aber nicht zu Boden, denn jemand fing sie auf.
George wurde festgehalten. Eine Faust traf ihn in die Magengrube, eine unters Kinn. Er stöhnte und sank in sich zusammen. Der Schmerz war so groß, dass er meinte, sterben zu müssen. Ihm war, als würde sein Schädel mit Meißeln aufgetrieben und sein Körper mit einem Vorschlaghammer traktiert. Ein weiterer Hieb explodierte an seinem Kinn, und er verlor das Bewusstsein.
Jean-Luc Mauvais trat durch die Türöffnung ein, eine geduckte Gestalt mit Schwimmflossen, schwarzem Taucherdress und großen Mischluftflaschen auf dem Rücken. Henri Bienmât und Paul Grivois, die den Besinnungslosen hielten, boten einen ähnlich groteskunheimlichen Anblick. Von ihren Ausrüstungen perlte immer noch das Wasser des Atlantiks ab.
»Hoffentlich stirbt er nicht«, sagte Mauvais leise.
Bienmât schüttelte den mächtigen Kopf. »So hart habe ich ihn nicht angefasst.«
»Wir brauchen Geiseln, für den Fall, dass
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