005 - Die Melodie des Todes
der Geschäfte, die sich damals in London auftaten, war im Telefon-und Adreßbuch als die ›St. Brides Safe Company« eingetragen. Es vertrieb neue und gebrauchte Geldschränke, Stahlkammern und alle übrigen kunstvollen Sicherheitsvorrichtungen.
In seinem Schaufenster waren neue und alte Geldschränke jeder Bauart, Vergitterungen, Alarmanlagen, große und kleine Geldkassen ausgestellt, und was es sonst noch alles gibt, um den Gelüsten von Berufseinbrechern zu begegnen.
Der Geschäftsinhaber, anscheinend ein Herr aus der Midlandgegend, suchte sich das Personal, einschließlich des Geschäftsführers und Verkäufers, mittels Zeitungsinseraten zusammen, hielt mit ihnen in einer Midlandstadt eine Besprechung ab und stellte dem Geschäftsführer, der tadellose Zeugnisse vorwies, eine reichliche Geldsumme zur Einrichtung und zum Betrieb zur Verfügung.
Zur Auffüllung des umgesetzten Betriebskapitals erhielt er von Zeit zu Zeit weitere Zuschüsse; obwohl der Absatz sehr schwach war, ließ es sich der Besitzer nicht verdrießen, die hohe Miete und die recht anständigen Gehälter des Personals weiter zu bezahlen.
Gelegentlich pflegte der Inhaber dem Laden einen Besuch abzustatten, gewöhnlich spät am Abend, weil sein Geschäft in Birmingham, wie er erklärte, ihn ständig in Anspruch nehme.
Das vorhandene Material wurde dann geprüft, es fand eine Inventuraufnahme der Schlüssel statt - diese wurden in der Regel im Privattresor der Firma aufbewahrt -, und der Besitzer drückte schließlich jedesmal seine Befriedigung über den Fortschritt des Geschäftes aus.
Der Geschäftsführer selbst begriff nie recht, wie sein Prinzipal dieses Unternehmen weiterführen konnte; aber offenbar hatte er einen großen Umsatz in der Provinz, denn er war in der Lage, ein großes Lastauto nebst Chauffeur zu halten, das von Zeit zu Zeit vor dem Laden in der Bride Street erschien, um einen Geldschrank abzuladen oder verkaufte Ware den neuen Eigentümern zuzuführen.
Der Geschäftsführer, Herr Timmings, ein ehrenwerter Bürger von Balham, konnte sich nur vorstellen, daß die Provinz-Filiale recht gute Geschäfte tätigte. Mitunter kam das Lastauto mit allen Anzeichen einer meilenweiten Fahrt, so daß er den Eindruck gewann, daß jedenfalls in der Birminghamer Gegend alles in Ordnung war.
Es war am Tag nach der merkwürdigen Auseinandersetzung, die im vorigen Kapitel geschildert wurde, als Gilbert Standerton unter anderm sich zur Anschaffung eines Geldschrankes entschloß. Er brauchte einen für sein Haus; es gab Gründe, die ihm ein solches Möbelstück nötig erscheinen ließen. Früher hatte er nie das Bedürfnis nach einem Geldschrank empfunden. Als ihm aber jetzt dieser Wunsch kam, wollte er ihn sofort befriedigen. Es war sein Unglück oder Glück, wie man es nehmen will, daß dieser Entschluß erst zu einer Stunde in ihm reifte, zu der die meisten Händler dieser ungewöhnlichen Einrichtungsgegenstände Geschäftsschluß gemacht haben. Es war schon sechs Uhr vorüber, als er in der City ankam.
Herr Timmings war an diesem Abend schon zeitig weggegangen, doch hatte er einen äußerst tüchtigen Vertreter zurückgelassen.
Der Besitzer war an diesem Tag etwas früher nach London gekommen; Gilbert sah ihn durch die Glastür und blickte ihn erstaunt an. Als er die Tür öffnen wollte, war sie verschlossen; aber der Besitzer kam mit einem liebenswürdigen Lächeln selbst und schloß auf.
»Wir haben schon Schluß gemacht«, sagte er, »und ich fürchte, mein Geschäftsführer ist schon nach Hause gegangen. Kann ich Ihnen mit etwas dienen?« Gilbert schaute ihn an.
»Ja«, sagte er langsam. »Ich möchte einen Geldschrank kaufen.«
»Dazu kann ich Ihnen möglicherweise behilflich sein«, erwiderte der Herr gutgelaunt. »Wollen Sie nicht hereinkommen?« Gilbert trat ein, und die Tür wurde hinter ihm verriegelt. »Was für eine Art Schrank wünschen Sie?« fragte der Mann. »Ich möchte einen kleinen«, erklärte Gilbert. »Möglichst einen gebrauchten Schrank, wenn Sie einen da haben.«
»Ich glaube, wir haben noch einen auf Lager. Sie brauchen ihn wohl für Ihr Büro?«
Gilbert schüttelte den Kopf.
»Nein, ich brauche ihn für meine Wohnung«, sagte er kurz, »und es wäre mir lieb, wenn er sofort geliefert werden könnte.«
Er besah sich die verschiedenen Fabrikate und traf schließlich seine Wahl.
Schon im Hinausgehen sah er einen großen Geldschrank am Ende des Ladens.
Es war ein ziemlich auffallendes Stück, etwa zwei
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