005 - Die Melodie des Todes
das, was ich sagte«, erwiderte Wallis, ihn scharf beobachtend. »Ich sage mir, Sie müssen ein absonderliches Verlangen gehabt haben, diese Melodie spielen zu hören. Warum? Ich muß gestehen, daß ich neugierig bin.«
»Sparen Sie sich Ihre Neugier für etwas auf, das Sie angeht«, entgegnete der andre barsch. »Wo haben Sie es erfahren?« fügte er hinzu, und Wallis lachte.
»Wir haben Nachrichtenquellen …«, begann er prahlerisch.
»O ja«, nickte Gilbert, »natürlich, Ihr Freund Smith wohnt bei den Wings. Das hatte ich vergessen.«
»Mein Freund Smith - Sie meinen meinen Chauffeur, vermute ich.«
»Ich meine Ihren Kumpan, das vierte Glied Ihrer Bande, den Mann, der nie bei einer Ihrer Unternehmungen auftritt und der in mannigfacher Verkleidung die Grundlagen für künftige Räubereien schafft. Oh, ich weiß Bescheid über diese ganze Geschichte«, versetzte er, mit seiner Hand das Geschäftslokal umschreibend. »Ich kenne diese famose Idee mit einer Geldschrankhandlung. Sie ist sehr geistreich, aber nicht originell. Ich glaube, vor einigen Jahren hat man sie in Italien schon benutzt. Sie suchen Geldschränke in Landhäusern anzubringen, indem Sie sie zu lächerlichen Preisen anbieten und der Rest ist einfach. Sie haben den Schlüssel und können jederzeit in das Haus, wohin ein solcher Schrank verkauft ist, und wissen genau, daß Sie die ganzen Wertsachen und das ganze flüssige Vermögen auf dem einen Platz versammelt finden, der Ihnen zugänglich ist.«
Wallis nickte. »Stimmt ganz genau, mein Freund«, sagte er. »Aber ich brauche keine Belehrung über mich selbst. Wollen Sie mir jetzt gütigst erklären, welche Rolle Sie spielen? Haben Sie den Eindruck, daß Sie zu den anständigen Leuten gerechnet werden?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte der andre kurz. »Die Moral meiner Handlungen hat durchaus nichts mit der Sache zu tun. Darüber gebe ich mich keiner Täuschung hin.«
»Sie sind ein glücklicher Mann«, meinte George Wallis beifällig. »Aber wollen Sie mir bitte sagen, welche Rolle Sie spielen und wie Sie Ihre Handlungsweise rechtfertigen, von Zeit zu Zeit große Geldsummen aus unserm Besitz fortzunehmen und an Ihren geheimen Aufbewahrungsort zu bringen?«
»Ich rechtfertige sie nicht«, antwortete Gilbert. Er stand auf und schritt in dem kleinen Büro auf und ab, während der andre ihn nicht aus den Augen ließ.
»Ich sage Ihnen, ich weiß, daß ich dem Sinn nach ein Dieb bin, aber ich arbeite nach einem bestimmten Plan.«
Er wandte sich Wallis zu.
»Wissen Sie, daß es keinen Raubzug gibt, den Sie unternommen haben, ohne daß ich den genauen Ertrag kannte? Es gibt kein Juwelenstück, das Sie an sich genommen haben, von dem ich nicht den Besitzer und den genauen Wert kenne. Ja«, nickte er, »ich weiß auch, daß Sie keinen einzigen Gegenstand ›verklopft‹ und daß Sie alles in ihrem Geldschrank aufbewahrt haben. Wenn ich Glück habe, hoffe ich, nicht nur Ihnen zu ersetzen, was ich Ihnen weggenommen habe, sondern auch jeden Pfennig zurückzuerstatten, den Sie gestohlen haben.«
Wallis fuhr auf. »Wie meinen Sie das?« fragte er.
»Seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzuerstatten«, fuhr Gilbert gelassen fort.
»Ich habe mich bemüht, in eine Lage zu kommen, in der ich Ihnen sagen kann: ›Hier ist ein Halsband, Eigentum der Lady Dynshird, im Werte von viertausend Pfund, ich will Ihnen einen anständigen Preis dafür geben, wollen wir sagen eintausend - das ist viel mehr, als Sie bei einem Verkauf erlösen könnten -, und wir wollen es seiner Besitzerin zurückerstatten. Ich will zu Ihnen sagen: ›Ich habe zehntausend Pfund in Gold und in französischen Banknoten aus Ihrem Verwahrungsort genommen, hier ist der Betrag für Sie selbst, hier ist ein entsprechender Betrag, der den Leuten, denen das Geld genommen worden ist, zurückgegeben werden muß.‹ Ich habe eine sorgfältige Aufstellung über jeden Pfennig gemacht, den Sie gestohlen haben, seit ich als außerordentliches Mitglied mit Ihrer Bande in Verbindung stehe.«
Er lächelte grimmig.
»Mein lieber Don Quijote«, meinte George Wallis ungläubig. »Sie haben sich eine unmögliche Aufgabe vorgenommen.«
Gilbert schüttelte seinen Kopf.
»Nein, wirklich nicht«, entgegnete er. »Ich habe weit mehr Geld auf der Börse gewonnen, als ich je geglaubt hätte, in meinem Leben zu besitzen.«
»Wollen Sie mir eine Frage beantworten«, sagte der andre. »Wie ist Ihr plötzliches Verlangen nach Reichtum zu erklären - dieses
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