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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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›wunderlich‹ war es ein sehr freundliches Städtchen und hatte einen der behaglichsten Gasthöfe Englands aufzuweisen, wo die beiden Reisegenossen in zwei einander benachbarten Zimmern untergebracht wurden.
    Jack Frankfort hoffte, mit seinem Auftrag noch am Abend fertig zu werden, um mit einem Nachtzug nach London zurückfahren zu können; doch wußte er, daß es unklug wäre, sich bei dem alten Herrn auf eine rasche Geschäftsabwicklung zu verlassen.
    Tatsächlich war er kaum eine Viertelstunde im Hotel, als er eine Weisung aus der ›Residentschaft‹ empfing, Sir John sei erst um zehn Uhr abends zu sprechen.
    »Damit kann ich jeden Gedanken, heute nach London zurückzukommen, fahren lassen«, murmelte Jack.
    Beim Essen traf er seinen Reisegefährten.
    Obgleich er sonst im einzelnen nicht mit den Lebensgewohnheiten Sir Johns vertraut war, wußte er doch, daß spätes Abendessen eines der Steckenpferde des Generals war, und da er keine Lust hatte, einen hungrigen Abend zu verbringen, hatte er das Essen um dreißig Minuten früher bestellt, als es sonst in dem kleinen Hotel üblich war.
    Dies erklärte er mit entschuldigenden Worten dem gemütlichen Mann, der ihm gegenüber saß, während sie sich über einen vorzüglich gebratenen Kapaun hinweg unterhielten.
    »Es paßt mir sehr gut«, sagte der andre. »Ich habe eine Reihe von Geschäften in der Nachbarschaft zu erledigen. Sie müssen wissen«, erklärte er, »ich bin der Besitzer einer Geldschrankfirma.«
    »Geldschrankfirma?« wiederholte Jack erstaunt.
    »Obwohl es Ihnen sonderbar klingen mag, so ist es doch ein recht weitverzweigtes Geschäft«, erklärte er. »Wir handeln hauptsächlich mit Tresoren und Stahlkammern, sowohl neuen wie gebrauchten. In London besitzen wir ein ziemlich großes Verkaufslager; aber ich werde nicht gegen die Höflichkeit verstoßen« -er lächelte -, »und versuchen, etwas aus meinem Bestand bei Ihnen abzusetzen.«
    Frankfurt war belustigt.
    »Geldschrankhandlung«, sagte er. »Man kann sich gar nicht vorstellen, daß man bei so etwas Geld herausschlagen kann.« »Das kann man sich bei keinem Geschäftszweig vorstellen«, entgegnete der andre. »Die einträglichsten Unternehmungen sind solche, bei denen sich der Scharfsinn in bare Münze verwandelt.«
    »Zum Beispiel -?«
    »Zum Beispiel der Beruf eines Rechtsanwalts«, lächelte der andere. »O ja, ich weiß. Sie sind ein Rechtsanwalt, das sieht man Ihnen an, und ich hätte Ihren Stand erraten, wenn ich auch nicht Ihre Aktentasche und dann Ihren Namen gesehen hätte.«
    Jack Frankfort lachte.
    »Sie sind scharfsinnig genug, um selbst ein Rechtsanwalt zu sein«, bemerkte er.
    »Sie machen sich selbst ein Kompliment«, entgegnete der andere.
    Als Jack später nach der ›Residentschaft‹ ging, sah er ein großes gedecktes Lastauto, an dessen Seite nur die einfache Aufschrift stand: ›St. Brides Geldschrank-Gesellschaft‹ Er sah auch seinen angenehmen Reisegefährten in ernstem Gespräch mit dem schwarzbärtigen Chauffeur.
    Ein wenig später setzte sich das Lastauto durch die engen Straßen der Stadt in Bewegung und schlug die Richtung nach London ein.
    Jack Frankfort hatte keine Zeit, Betrachtungen darüber anzustellen, welche Verkaufsmöglichkeiten für Geldschränke die kleine Stadt biete, denn fünf Minuten später befand er sich in Sir John Standertons Arbeitszimmer.
    Der alte General gehörte zu dem Typ, der oft in Witzblättern abgebildet wird. Er war stattlich, hatte ein rotes Gesicht und trug einen kurzgeschorenen Backenbart, der sich in einem langen, buschigen weißen Schnurrbart fortsetzte. Außer einem schmalen Kranz weißen Haares war er kahlköpfig. Seine Redeweise ließ sich mit einer Reihe von Explosionen vergleichen. Als der junge Mann in das Arbeitszimmer eintrat, blickte der Alte unter seinen struppigen Augenbrauen hervor und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
    Er war Rechtsanwälte gewöhnt; er kannte alle Arten und hatte sie in zwei verschiedene Klassen eingeteilt - sie waren entweder Schurken oder Narren. Für diesen alten Herrn gab es keine Zwischenstufe, und er hegte keinen Zweifel darüber, daß Jack Frankfort, ein klug aussehender junger Mann, zu der ersten Klasse zu rechnen war. Er forderte ihn barsch auf, Platz zu nehmen.
    »Ich möchte mit Ihnen über mein Testament sprechen«, sagte er. »Ich trage mich seit einiger Zeit ernsthaft mit dem Gedanken, die Verteilung meines Besitztums anderweitig zu regeln.«
    Das war seine stets gleichbleibende Formel.

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