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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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getroffen«, sagte Jack Frankfort gleichgültig, »so wie Sie wohl auch mit Leuten zusammenkommen, nur um zu fragen: ›Wie geht es Ihnen?‹ und dergleichen.«
    »Ich bin niemals mit Leuten zusammengekommen, nur um zu sagen: ›Wie geht es Ihnen? ‹« protestierte der alte Herr schnaubend. »Für was für einen Burschen halten Sie ihn?« fragte er nach einer Pause.
    Leslies Mahnung, ein gutes Wort für Gilbert einzulegen, kam dem jungen Mann in den Sinn.
    »Ich halte ihn für einen recht anständigen Menschen«, erwiderte er, »wenn er auch etwas zurückhaltend und ein bißchen verschlossen ist.«
    Der alte Mann funkelte ihn an.
    »Mein Neffe verschlossen? Zurückhaltend?« brach er los. »Natürlich ist er zurückhaltend. Glauben Sie denn, ein Standerton ist Allerweltsware? In unsrer Familie gibt es nichts Müller-Meier-Schulzenhaftes, Sir. Wir sind alle zurückhaltend, Gott sei Dank. Ich bin der zurückhaltendste Mann, dem Sie je in Ihrem Leben begegnet sind.«
    So siehst du aus, dachte Jack, gab aber seinen Gedanken keinen Ausdruck. Statt dessen setzte er das Thema mit der ihm eigenen Schlauheit fort.
    »Er gehört zu den Menschen«, sagte er harmlos, »denen Geld zu geben ich für ziemlich überflüssig halte.«
    »Warum?« fragte der General mit steigender Wut.
    Jack zuckte die Schultern.
    »Nun, er führt kein großes Haus und gibt sich keine Mühe, eine besondere Stellung in der Londoner Gesellschaft einzunehmen. Tatsächlich behandelt er die Gesellschaft, als ob er etwas Besseres wäre.«
    »Und das ist er auch«, grollte der General. »Wir sind alle etwas Besseres als die Gesellschaft. Glauben Sie, Sir, ich kümmere mich einen Deut um irgend jemand von diesen Leuten hierzulande? Denken Sie etwa, der Lord High Towers und die Lady Grange imponierten mir? Und die verschiedenen neugebackenen adligen Emporkömmlinge, die das Land bevölkern wie - wie -Feldmäuse? Nein, Sir! Und ich habe das Vertrauen zu meinem Neffen, daß er die gleiche Gesinnung hat. Die Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung ist nicht so viel wert!« Er schnippte mit den Fingern vor Jacks unbeweglichem Gesicht. »Das gibt den Ausschlag«, erklärte der General mit Entschiedenheit und deutete auf die Notizen, die der Anwalt gemacht hatte. »Den Rest meines Besitzes vermache ich Gilbert Standerton. Bringen Sie das zu Papier.«
    Zweimal zu seinen Lebzeiten hatte er die gleichen Worte geäußert, und zweimal hatte er seinen Sinn geändert. Es war leicht möglich, daß er sich wieder eines andern besinnen würde. Falls der Ruf, der ihm in dieser Beziehung anhaftete, begründet war, konnte sich sein Wille schon bis zum nächsten Morgen gewandelt haben.
    »Bleiben Sie bis morgen hier«, sagte er bei der Verabschiedung. »Bringen Sie mir den Entwurf zur Frühstückszeit.«
    »Um wieviel Uhr?« fragte Jack höflich.
    »Zur Frühstückszeit!« brüllte der alte Mann.
    »Zu welcher Stunde frühstücken Sie?«
    »Zur gleichen Stunde wie jedes zivilisierte menschliche Wesen«, herrschte ihn der General an. »Um fünfundzwanzig Minuten vor ein Uhr. Um welche Zeit frühstücken denn Sie, um des Himmels willen?«
    »Um zwanzig vor ein Uhr«, entgegnete Jack milde und war auf dem ganzen Heimweg mit sich selbst zufrieden.
    An diesem Abend bekam er seinen Reisegefährten nicht mehr zu Gesicht, sondern traf ihn erst am nächsten Morgen beim ersten Frühstück um halb neun Uhr.
    In der Zwischenzeit mußte sich etwas ereignet haben, das den gleichmäßig fröhlichen Charakter des Mannes verändert hatte. Er war düster und schweigsam und sah abgespannt, beinahe krank aus, sagte sich Jack. Möglicherweise war es eine schlechte Zeit für den Absatz von Geldschränken, wie für alle andern Erwerbszweige. Aus dieser Erwägung vermied er, vom Geschäft zu sprechen, und während der Mahlzeit wurde kaum ein halbes Dutzend Sätze zwischen den beiden ausgetauscht.
    Als Jack Frankfort wieder in die ›Residentschaft‹ kam, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß der alte Herr seinen Entschluß über Nacht nicht geändert hatte. Er hatte noch dieselbe Absicht, schien sie sogar noch mehr zu betonen, so daß Jack ihn wirklich nur mit größter Mühe daran hindern konnte, ein armseliges HundertPfund-Vermächtnis für eine Armenapotheke im Norden zu streichen.
    »Das ganze Geld soll in der Familie bleiben«, sagte der General kurz; »es ist sinnlos, es so hundertpfundweise zu verzetteln, es macht einem nur Unbequemlichkeiten. Ich nehme an, es wird noch

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