Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
einige Jahre dauern, bis er die Verfügung über das Geld bekommt, aber ›Vorbedacht‹ ist der Wahlspruch unsrer Familie.«
    Es schlug zu Gilberts Vorteil aus, daß der Anwalt auf der Forderung bestand, das Legat für die Armenapotheke wieder einzusetzen. Schließlich strich der General überhaupt jedes Legat im Testament aus, und in dem kürzesten Schriftstück, das er je unterzeichnet hatte, vermachte er sein gesamtes bewegliches und unbewegliches Besitztum ausschließlich ›meinem lieben Neffen‹.
    »Er ist verheiratet, nicht wahr?« fragte er.
    »Ich glaube, ja«, sagte Jack Frankfort.
    »Sie glauben! Was nützt mir Ihr Glaube«, entrüstete sich der alte Mann. »Sie sind mein Anwalt und Ihr Beruf ist es, alles zu wissen. Bringen Sie heraus, ob er verheiratet ist, wer seine Frau ist, woher sie stammt, und schicken Sie ihnen eine Einladung zum Dinner.«
    »Wann?« erkundigte sich der verdutzte Anwalt.
    »Heute abend«, sagte der alte Herr. »Es kommt ein Mann aus Yorkshire, mein Arzt, auf Besuch zu mir; es wird eine lustige Gesellschaft geben. Ist sie hübsch?«
    »Ich glaube, ja.«
    Jack sagte dies zögernd, denn er war ehrlich im Zweifel darüber, da er sehr wenig über Gilbert und seine Angelegenheiten wußte.
    »Wenn sie hübsch und eine vornehme Dame ist«, meinte der alte General langsam, »werde ich noch ein besonderes Vermächtnis für sie machen.«
    Jack bekam es mit der Angst. Sollte das ein neues Testament bedeuten? Wohl oder übel, die Telegramme wurden losgelassen.
    Edith empfing das ihrige und las es erstaunt.
    Das an Gilbert blieb auf dem Tisch in der Diele liegen; denn er war weder während der vergangenen Nacht noch im Lauf dieses Tages nach Hause gekommen.
    Die rotgeweinten Augen der jungen Frau legten Zeugnis ab für die Sorgen, die sie sich um ihn machte.

14
    Edith Standerton packte rasch ein Köfferchen und machte sich für die kleine Reise nach Huntingdon fertig. Es war unangenehm, daß sie ohne Gilbert fahren mußte, aber sie hatte sich die Aufgabe gestellt, ihrem Gatten von Nutzen zu sein, und wenn ihr Erscheinen beim Dinner seines schwierigen Verwandten dazu beitragen konnte, so wollte sie gern hingehen.
    Sie erreichte gerade noch den Vier-Uhr-Zug, der nach dem Städtchen Tinley fuhr.
    Der alte Herr tat ihr die außergewöhnliche Ehre an, sie auf dem Bahnhof abzuholen.
    »Wo ist Gilbert?« fragte er nach der ersten Begrüßung.
    »Er ist unerwarteterweise nach auswärts gerufen worden«, erwiderte sie. »Er wird außer sich sein, wenn er es erfährt.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte der alte General grimmig. »Es gehört schon ziemlich viel dazu, um Gilbert außer sich zu bringen - sicherlich braucht es etwas mehr als die Gelegenheit, sich mit einem alten Brummbär auszusöhnen. Tatsächlich«, fuhr er fort, »ist eine Versöhnung ja gar nicht nötig; aber mir kommt es immer so vor, als ob jeder, den ich aus meinem Testament gestrichen habe, mich als seinen Todfeind betrachtet.«
    »Bitte, nehmen Sie mich nie in Ihr Testament auf«, lächelte sie.
    »Das ist noch gar nicht sicher«, entgegnete er und fügte galant hinzu: »Obwohl ich glaube, daß Sie hübsch genug sind, um auf so weltliche Dinge wie Geld verzichten zu können!«
    Sie verzog schelmisch ihr Gesicht.
    Er war entzückt, eine so reizende Verwandte gefunden zu haben, und Edith Standerton ihrerseits gab sich Mühe, ihm zu gefallen.
    Sie hatte eine so gewandte Art, mit älteren Menschen umzugehen, daß sie in ihnen ein Gefühl erweckte, als seien sie ebenso jung wie sie selbst. Ihr reizvolles Wesen nahm den alten wunderlichen Herrn rasch für sie ein.
    Edith wußte nicht, aus welchen Ursachen sich das Glück ihres Mannes gewandelt hatte. Sie wußte überhaupt sehr wenig von seinen Angelegenheiten; sie wußte weiter nichts, als daß er aus diesem oder jenem Grunde, aber ohne sein Verschulden, enterbt worden war. Sie ahnte nicht einmal, daß es lediglich eine Folge der Launenhaftigkeit dieses alten Mannes gewesen war.
    »Sie müssen bald wiederkommen und Gilbert mitbringen«, sagte der General, bevor sie auseinandergingen, um sich zum Dinner umzukleiden. »Es wird mir ein großes Vergnügen sein, mich eurer anzunehmen.«
    Glücklicherweise enthob sie der General ihrer Verlegenheit um eine Antwort, indem er plötzlich aufsprang.
    »Ich weiß, was Sie gern sehen würden«, erklärte er. »Sie würden gerne die Standerton-Diamanten betrachten, und das sollen Sie auch!«
    Sie hatte zwar kein Verlangen, die Standerton-Diamanten zu

Weitere Kostenlose Bücher