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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sehen, und wußte wirklich nicht einmal, daß ein solches Erbstück existierte; aber da ihn der Gedanke, sie ihr zu zeigen, zu freuen schien, war sie nicht abgeneigt, diese kostbaren Juwelen zu bewundern, obwohl sie als ihre künftige Trägerin kaum in Betracht kam.
    Er führte sie in die Bibliothek; Jack Frankfort folgte ihnen.
    »Da drinnen sind sie«, sagte der alte Herr stolz und wies auf einen Geldschrank in der Ecke, einen mächtigen Tresor.
    »Das ist eine Neuerwerbung«, fuhr er zufrieden fort. »Ich kaufte ihn von einem Mann, der sechzig Pfund dafür verlangte - so ein verdammter Schwindler und Schurke von einem Reisenden! Ich habe ihn für dreißig bekommen. Was halten Sie von diesem Geldschrank?«
    »Ich denke, er sieht recht hübsch aus«, sagte Jack.
    Der alte Mann blitzte ihn an.
    »Hübsch!« schnauzte er. »Glauben Sie denn, ich kann hier ›hübsche‹ Dinge brauchen?«
    Er zog einen Schlüsselbund aus seiner Tasche, öffnete die Tür des Schrankes, zog eine Schublade heraus und holte ein großes Maroquinetui hervor.
    »Hier sind sie!« sagte er voll Stolz, und er konnte wirklich auf eine so schöne Sammlung stolz sein.
    Mit dem echt weiblichen Interesse für Schmucksachen ließ Edith die prächtigen Juwelen durch die Finger gleiten. Die Fassung war zwar altmodisch, aber zur Zeit wurden die alten Muster ja wieder bevorzugt und nachgeahmt. Die Steine funkelten und glitzerten, als trüge jede Facette eine winzige Glühlampe in sich, um den grünen, blauen oder rosigen Glanz ihres Feuers auszustrahlen.
    Sogar Jack Frankfort, sonst kein großer Liebhaber von Schmucksachen, war von dem Anblick bezaubert.
    »Wahrhaftig, Sir«, sagte er, »diese Edelsteine müssen ja einen Wert von hunderttausend Pfund haben.«
    »Mehr«, entgegnete der alte Mann, »hier habe ich ein Perlenhalsband«, und er zog eine andere Schublade heraus. »Schauen Sie das an! In diesem Schrank befinden sich Schmuckstücke im Wert von beinahe zweimal hunderttausend Pfund.«
    »In einem Schrank, der dreißig Pfund kostet«, sagte Jack.
    Der alte Herr wandte sich ihm zu.
    »In einem Sechzig-Pfund-Schrank«, verbesserte er scharf. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich den dummen Kerl drangekriegt habe?« Er lachte in der Erinnerung in sich hinein, brachte die Juwelen an ihren Platz zurück und schloß den Schrank ab. »Sechzig Pfund hat er verlangt. Kam hierher wie ein richtiger geschniegelter Londoner Citykerl, Gehrock, Zylinder und Lackschuhe, mein Lieber. Es ist skandalös, wie diese Leute auftreten. Nach der Art, wie er sich gab, hätte er ein Gentleman sein können.«
    Jack betrachtete den Schrank; er verstand ein wenig vom Wert solcher Sachen.
    »Ich kann nicht verstehen, wie er ihn dafür verkaufen konnte«, sagte er. »Der Schrank ist seine zweihundert Pfund wert.«
    »Was?« Der alte General wandte sich höchst erstaunt zu seinem Anwalt.
    »Ich habe einen in meinem Büro, fällt mir gerade ein«, sagte Jack, »der kostet zweihundert Pfund und ist von der gleichen Konstruktion.«
    »Er hat nur sechzig gefordert.«
    »Das ist merkwürdig. Macht es Ihnen etwas aus, ihn nochmals auf zuschließen? Ich möchte gern die Riegel sehen.«
    Der General hatte nichts dagegen. Jack schaute sich die starken Stahlriegel an - sie waren ganz neu.
    »Ich kann nicht begreifen, wie er ihn für sechzig anbieten konnte. Sie haben sicher tüchtig handeln müssen, Sir, um ihn für dreißig zu bekommen«, sagte er.
    »Das will ich meinen«, erwiderte der General selbstgefällig. »Übrigens erwarte ich für heute abend zum Essen noch einen Herrn«, fuhr er fort, als sie sich ins Empfangszimmer zurückbegaben, »einen Arzt aus Yorkshire … Barclay-Seymour heißt er. Kennen Sie ihn?«
    Jack war er nicht bekannt, aber die junge Frau fiel ein: »O ja, er ist sogar ein alter Bekannter von mir.«
    »Er ist ein ziemlicher Narr«, sagte der General, indem er sein einfaches Verfahren, die Menschen einzuteilen, anwandte.
    »Ich habe gehört, Herr General, nach Ihrer Meinung gäbe es nur zwei Klassen von Menschen - Schurken und Narren. Ich wäre neugierig zu hören«, sagte sie lächelnd, »in welche Klasse Sie mich einreihen?«
    Der alte Herr runzelte die Brauen und blickte der jungen Frau in bester Laune in ihr schönes Gesicht.
    »Für Sie muß ich eine neue Klasse einführen«, sagte er. »Nein, Sie sollen eine Klasse für sich bilden. Aber da nun einmal die meisten Frauen Närrinnen sind …«
    »Oh, warten Sie!« lachte sie.
    »Sie sind es!« beharrte er.

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