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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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menschlichen Seele je gelungen war, Sir John von einem Verhör, das er sich vorgenommen hatte, abzubringen.
    »Glücklich, und was dazugehört?« fragte er.
    Edith nickte nur und schaute unverwandt auf die Wand hinter dem Kopf des Generals.
    »Ich nehme an, Sie lieben ihn, he?«
    Edith war das Gespräch peinlich, ebenso anscheinend den beiden Männern, aber Sir John stand nicht allein mit seiner Meinung da, daß Ärzte wenig Sinn für Anstand und Rechtsanwälte keine Ahnung von Schicklichkeit haben. Eine weitere Fortsetzung blieb ihnen durch das Hereinbringen des Kaffees erspart, und die junge Frau war dankbar dafür.
    »Ich möchte Sie hierbehalten, bis Gilbert Sie abholen kommt«, sagte der alte Herr plötzlich. »Ich nehme an, Sie wissen, aber wahrscheinlich wissen Sie es nicht, daß Sie die erste Ihres Geschlechts sind, die ich je in meinem Haus geduldet habe.«
    Sie mußte lachen.
    »Es ist Tatsache«, erklärte er ernsthaft. »Wissen Sie, ich kann mit Frauen nichts anfangen; sie können sich nicht klarmachen, daß ich zwar ein reizbarer alter Knabe, aber in Wirklichkeit ein harmloser Mensch bin - und ich bin ein reizbarer alter Knabe«, gestand er zu. »Nicht, daß sie unverschämt oder grob zu mir sind, aber ich kann ihre sanften Duldermienen nicht ertragen. Wenn eine Dame zu mir sagt, ich soll mich zum Teufel scheren, so weiß ich, woran ich bin. Ich will die ungeschminkte volle Wahrheit ohne Theater. Ich nehme meine Medizin lieber ohne Zucker.«
    Der Doktor lachte.
    »Sie unterscheiden sich darin von den meisten Leuten, Sir John. Ich kenne Menschen, die ziemlich empfindlich gegen die nackte Wahrheit sind.«
    »Um so größere Narren sind sie«, entgegnete Sir John.
    »Das möchte ich nicht gerade sagen«, erwiderte der Doktor nachdenklich. »Ich habe eher Sympathie für einen Mann, der sich nicht gerne die ganze Bitternis einer Tatsache wie einen tüchtigen Backstein an den Kopf schmeißen läßt; immerhin kann es manchmal von Vorteil sein, die Wahrheit zu wissen und sich so eine Menge unnützen Kummers zu ersparen«, fügte er etwas schwermütig hinzu. Er schien eine unangenehme Gedankenkette aufgerollt zu haben. »Ich werde Ihnen ein außergewöhnliches Beispiel geben«, fuhr er in seiner gewöhnlichen bedächtigen Art fort.
    »Was war das?« fragte der General plötzlich.
    »Ich glaube, es war ein Geräusch in der Diele«, meinte Edith.
    »Und ich glaubte, es sei ein Fenster«, brummte der General, ziemlich beschämt darüber, daß man vielleicht sein Zusammenfahren bemerkt hatte.
    »Erzählen Sie Ihre Geschichte weiter, Doktor.«
    »Vor einigen Monaten«, fing Doktor Seymour wieder an, »kam ein junger Mann zu mir. Er gehörte den besseren Kreisen an und war offenbar kein Bewohner von Leeds, jedenfalls war er mir nicht bekannt. Hinterher fand ich heraus, daß er aus London gekommen war, um mich zu Rate zu ziehen. Er hatte ein wenig mit den Zähnen, einem schartigen Backenzahn, zu tun gehabt, eine ganz alltägliche Sache, und hatte sich im Mundinnern eine kleine Wunde geritzt. Anscheinend beunruhigte es ihn, um so mehr, als er entdeckte, daß die winzige Kratzwunde nicht heilen wollte. Wie die meisten von uns hatte er eine schreckliche Angst vor Krebs.« Er senkte seine Stimme, wie es die Ärzte oft tun, wenn sie von dieser schrecklichsten aller Krankheiten sprechen. »Er wollte nicht zu seinem Hausarzt gehen; ich glaube aber, in Wirklichkeit hatte er gar keinen. Er kam also zu mir, und ich untersuchte ihn. Mir schien es gleich sehr zweifelhaft, daß ihm das geringste fehlte, aber ich schnitt ein winziges Teilchen der Membrane zur mikroskopischen Untersuchung heraus.«
    Die junge Frau schauderte.
    »Verzeihen Sie«, sagte der Doktor hastig, »sonst kommt in der Geschichte nichts Gruseliges mehr vor, falls Sie nicht glauben … Jedenfalls«, fuhr er fort, »versprach ich ihm eine baldige Mitteilung über das Ergebnis meiner Untersuchung und bat ihn zu diesem Zweck um seine Adresse. Er lehnte es jedoch ab. Er war sehr, sehr nervös. ›Ich weiß, ich bin ein moralischer Feigling‹, sagte er, ›aber irgendwie möchte ich nicht gerne die nackte Wahrheit in nüchterner Sprache erfahren; wenn jedoch meine Befürchtung zutrifft, habe ich den Wunsch, die Nachricht soll mir auf eine Weise gebracht werden, die mich am wenigsten verletzte«
    »Und die war?« fragte Sir John, gegen seinen Willen interessiert.
    Der Doktor holte tief Atem.
    »Es scheint«, sagte er, »daß er so etwas wie ein Musiker war« - Edith

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