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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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»Sehen Sie mich an! Wenn die Frauen keine Närrinnen wären, müßte ich dann nicht verheiratet sein? Wenn irgendeine elegante, hübsche und kluge Dame die nötige Entschlossenheit besessen hätte, sich an mich heranzumachen, so wäre ich jetzt kein Junggeselle mehr, der sein Geld Leuten hinterläßt, die sich keinen Pfifferling darum kümmern, ob ich lebendig oder tot bin. Kennt Ihr Mann übrigens den Doktor?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Eines Abends bei einem Dinner hätten sie sich beinahe kennengelernt, aber Gilbert war dann durch eine Verabredung am Erscheinen verhindert.«
    »Doch, er muß Gilben bekannt sein«, versteifte sich der alte Mann. »Ich habe oft mit ihm über Barclay-Seymour gesprochen, der, nebenbei bemerkt, vielleicht kein so großer Narr ist wie die meisten Ärzte. Früher hielt ich ziemlich viel von ihm, mehr als in der letzten Zeit«, gab er zu, »und ich fürchte fast, ich habe dem armen Gilbert mehr mit Lobpreisungen über Barclay-Seymour in den Ohren gelegen, als dessen Geschicklichkeit und Können es verdienten. Hat er Ihnen von ihm erzählt?«
    Die junge Frau verneinte kopfschüttelnd.
    »Undankbarer Kerl!« grollte der General zusammenhanglos.
    In diesem Augenblick kam einer der vielen Diener mit einem Telegramm auf einem Tablett ins Zimmer.
    »Nanu?« fragte Sir John, setzte seine Brille auf die Nasenspitze und schaute den Bedienten finster an. »Was ist das?«
    »Ein Telegramm, Sir John«, erwiderte der Mann.
    »Das sehe ich selber, daß es ein Telegramm ist, du Esel! Wann ist es gekommen?«
    »Vor ein paar Minuten, Sir.«
    »Wer hat es gebracht?«
    »Ein Postbote, Sir John«, sagte der Diener.
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?« schnauzte ihn der General befriedigt an. Und Edith mußte sich die größte Mühe geben, um bei dieser kleinen Szene einen Lachkrampf zu unterdrücken.
    Der alte Herr öffnete die Depesche, faltete sie auseinander, las sie langsam und runzelte die Stirn. Er las sie noch einmal.
    »Was soll das nun um Himmels willen heißen?« fragte er und reichte das Telegramm der jungen Frau.
    Sie las:
    »Nimm Standerton-Juwelen aus Tresor und deponiere sie unverzüglich heute abend auf der Bank. Falls es dafür zu spät, stelle sie unter bewaffneten Schutz.« Es war unterzeichnet: Gilbert Standerton.

15
    Der General las das Telegramm von neuem; ungeachtet seines exzentrischen Wesens war er ein kluger, verständiger Mann.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte er sich bedächtig. »Wo ist Gilbert? Und wo hat er die Depesche aufgegeben?«
    Er nahm das Telegrammformular zur Hand und prüfte es; die Depesche war am Hauptpostamt in London um 6.35 Uhr nachmittags abgegangen.
    Die Dinnerzeit des Generals entsprach der des Frühstücks; es war ein Viertel nach neun Uhr, als der Gong Edith Standerton aus ihrem Zimmer zum Abendessen rief.
    Sie machte sich große Sorgen und konnte den Zusammenhang der Juwelenfrage nicht begreifen. Was hatte Gilbert zu dieser Nachricht veranlaßt? Hätte sie mehr über die Geschehnisse des vorausgegangenen Nachmittags gewußt, so hätte sie sich wohl eher darüber gewundert, wie er überhaupt imstande war, die Botschaft abzusenden.
    Der General nahm die Warnung ernst, doch nicht so ernst, daß er sich zur Aufbewahrung der Juwelen an einem andern Ort bestimmen ließ. Die Anschaffung des Tresors war wirklich nötig gewesen; denn außer dem Silberschrank des Hausverwalters, der kaum als sicherer Ort angesprochen werden konnte, hatte es bisher keinen zuverlässigen Platz für Wertsachen gegeben.
    Nachdem er die Juwelen im Tresor nochmals nachgesehen und die Tür wieder gut verschlossen hatte, ließ er einen Diener im Bibliothekszimmer mit der strengen Anweisung zurück, keinesfalls ohne Befehl seines Herrn den Raum zu verlassen.
    Als Edith herunterkam, fand sie den neu angekommenen Gast vor, der sie mit einem freundlichen Lächeln begrüßte.
    »Wie geht es Ihnen, Herr Doktor?« sagte sie. »Es ist noch gar nicht lange her, daß ich Sie bei meiner Mutter kennengelernt habe. Erinnern Sie sich noch?«
    »Ich erinnere mich sehr gut«, erwiderte Dr. Barclay-Seymour.
    Er war ein großer, hagerer Mann mit einem dünnen, eisengrauen Bart und einer hohen Stirn.
    In seiner etwas zerstreuten Art machte er den für andre nicht sehr schmeichelhaften Eindruck, als habe er über gewichtigere Dinge nachzudenken, als über das Gespräch, das man mit ihm führte. Er war vielleicht der berühmteste unter den

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