005 - Festung des Blutes
auf die am Boden liegende Gestalt. »Sie können Menschen riechen!« Sie wies auf ihren Hals. »Er wollte mich beißen!« Matt löste behutsam ihre Arme von sich. »Erzähl, was du gesehen«, sagte er.
»Wo sind andere Gefangene?«
Riva erzählte ihm alles von Anfang an. Sie hatte im Haus ihrer Eltern geschlafen, als ein Klirren sie weckte. Sie war aus dem Bett gesprungen, um aus dem Fenster zu schauen. Da hatte jemand sie gepackt und war mit ihr die Treppe hinabgesprungen. Sie hatte ihre Mutter leblos auf dem Boden liegen sehen, und ihr Vater war aus dem Haus gerannt. Ein Vermummter hatte ihn verfolgt.
Dann hatte Riva die Besinnung verloren. Als sie aufgewacht war, hatte jemand sie durch finstere Gänge getragen. Ihr war klar geworden, dass sie sich in der Festung befand. Sie war in einem Verlies gelandet.
»Dort war ich eine Nacht und einen Tag. Dann wollte man mich nach oben bringen. Da bin ich ausgerissen.« Ihre Nerven gaben nach. Sie fing haltlos an zu schluchzen. »Ein Mensch ist auch hier. Ich habe ihn gesehen. Ich glaube, er beherrscht die Nosfera.« Sie verbarg das Gesicht in den Händen.
»Ein Mensch?«, fragte Matt überrascht. Er schaute Gholan an, »Was das bedeutet?«
»Die Nosfera sind keine Menschen«, sagte Gholan.
»Keine Menschen?«, echote Matt. »Was denn sonst?«
Gholan errötete. »Ich… weiß nicht.« Er schluckte nervös, dann deutete er zu Boden.
»Manche sagen, sie kommen aus der Tiefe. Aus der Unterwelt.«
»Wir müssen weg von hier!«, drängte Riva.
»Sie werden nach mir suchen!«
Matt warf Gholan einen Blick zu. Sie wussten beide, dass ihnen nur ein Ausweg blieb: über den Leichnam des Vermummten hinweg über eine nach oben führende Treppe. Auf der anderen Seite wartete die Riesenschnecke auf sie.
Matt legte den Arm um Rivas Schultern und zog sie mit. Gholan folgte ihnen auf dem Fuße.
Eine ganze Weile kamen sie unbehelligt voran. Sie folgten einer Wendeltreppe zwei oder drei Stockwerke hinauf, bis sie an ein Fenster gelangten. Als Matt hindurch schaute, gewahrte er auf einem unter ihm liegenden Hof mehrere Nosfera, die um ein knisterndes Feuer herum standen und sich wärmten. Den Kerlen schien fortwährend kalt zu sein. Von ihren Opfern war nichts zu sehen, »Sie können uns riechen«, hauchte Riva aufgeregt. »Bei Wudan, wir müssen hier raus!«
»An dem Ungeheuer kommen wir aber nicht vorbei«, sagte Gholan und deutete zur Treppe hinunter. »Es bewacht die Tür.«
Riva schauderte. »Welches Ungeheuer?«
Matt warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Es wäre nicht nötig gewesen, das Mädchen zusätzlich zu ängstigen. »Eine Art Schnecke«, sagte er. »Aber nicht sorgen; wir haben sie ausgesperrt.«
Es machte nicht den Eindruck, als würden seine Worte Riva beruhigen. Aber das musste jetzt seine geringste Sorge sein. Vorrangig war, erst die Gefangenen und damit auch Aruula und dann einen Fluchtweg aus dieser Festung zu finden.
»Weiter!«, kommandierte er.
Im Hof wurden jetzt Befehle laut. Sie traten vom Fenster zurück und stiegen die Treppe weiter hinauf, bis sie einen Dachboden erreichten – einen riesigen Raum, in dem sich allerlei Gerümpel stapelte. Matt suchte mit geschmälten Augen nach Dachfenstern. Schließlich fand er eines. Er musste sich auf eine Kiste stellen, um es zu öffnen.
So weit das Auge reichte, erstreckten sich ringsum flache Dächer. Matt zog sich hinauf und hielt nach dem Wachtposten Ausschau, aber der war nicht zu sehen.
»Keine Angst, Riva«, flüsterte er durch das Fenster hinab und streckte einen Arm zu ihr hinunter.
Riva folgte ihm. Sie zitterte vor Furcht, aber sie schaffte es. Gholan kam als Nächster. Er reichte Matt zuerst die Armbrust und kletterte dann hinauf.
Ein kalter Wind wehte. Der Regen hatte aufgehört; am Himmel zeigten sich wolkenlose Stellen. Matt betrachtete das glitzernde Sternenzelt und dachte an Aruula. Er konnte die Festung doch nicht verlassen, bevor er sie gefunden hatte! Außerdem war auch Gholans Braut bei den Gefangenen. Matt wunderte sich, dass sein Begleiter sie noch nicht wieder erwähnt hatte. Sie war doch der Grund dafür, dass er sich in die Festung geschlichen hatte.
Sie marschierten in Richtung Osten, fort von der Seite, unter der sich der Kanalschacht befand, und mit jedem Schritt wurde das Gefühl in Matt stärker, seine Gefährtin im Stich zu lassen.
Sein Dilemma sollte nicht lange währen. Nach etwa zwanzig Metern gab plötzlich schlagartig der Boden unter ihm nach! Erst eine Sekunde
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