005 - Gekauftes Glück
sei, und geleitete die Gäste ins Haus. Die kühle Eingangshalle hatte einen Marmorboden und war im Stil der italienischen Renaissance gestaltet. Sie hatte eine kunstvoll stuckierte und vergoldete blaue Decke und wunderschön bemalte Wände. Mehrere Türen gingen von allen Seiten ab, und die Besucher wurden durch die erste Tür zur Rechten geführt. „Signor St. Clair", verkündete der würdevolle weißhaarige Butler, „und die Signorinas St. Clair und O'Brien."
Ein herzliches, kehliges Lachen klang vom anderen Ende des großen Salons herüber, als eine hochgewachsene, schlanke und herrlich gekleidete Dame sich näherte. „Ich muß wirklich irgendwann in den nächsten Tagen an Enricos Aussprache des Englischen arbeiten", sagte sie lachend und streckte dann zum Willkommen die Arme aus. „Patrick, mein Lieber, wie wundervoll!"
Er eilte zu ihr, zögerte keine Sekunde und umarmte stürmisch die tadellos frisierte Frau. „Maria!" rief er. „Mein Gott, Ihr Anblick tut meinen Augen gut!"
Ashleigh und Megan tauschten angesichts seines unübersehbaren Bruches der protokollarischen Regeln entsetzte Blicke. Schließlich war die Frau doch eine Gräfin!
Aber ihre aus entzücktem Gelächter bestehende Reaktion ließ rasch den alarmierten Ausdruck aus Ashleighs und Megans Mienen schwinden.
„Laß mich dich anschauen", sagte Maria, nachdem sie sich aus Patrick St. Clairs Armen befreit hatte und ihn auf Armeslänge von sich forthielt. „Der Himmel bewahre mich! Du bist noch größer geworden, als du schon damals warst!" stellte sie lachend fest.
„Und Sie haben sich kein bißchen verändert." Patrick grinste. „Abgesehen vielleicht davon, daß Sie noch schöner geworden sind, als ich Sie in Erinnerung habe."
„Schmeichler!" tadelte sie ihn spielerisch. Graziös hob sie die schlanken, beringten Finger an eine silbrige Haarsträhne an der Schläfe. „Das allein ist eine Veränderung, die mich daran erinnert, wieviel Zeit in meinem Leben verstrichen ist."
„Ich bin nicht der Schmeichler, als den Sie mich bezeichnet haben", entgegnete Patrick, während er sich umdrehte und die Contessa zu Ashleigh und Megan führte, die wartend stehengeblieben waren. „Einige Frauen altern einfach unauffällig und werden reifer, wie guter Wein. Aber kommen Sie, Maria, ich möchte Ihnen meine Begleiterinnen vorstellen, ehe ich nicht nur fehlender Ehrlichkeit, sondern auch mangelnder Manieren beschuldigt werde." Beim Sprechen hatte er der an seiner Seite gehenden Hausherrin zugezwinkert.
Doch als er mit ihr näher kam, blieb sie stehen und richtete die haselnußbraunen Augen auf Ashleigh. Sie schwieg eine Weile, lächelte dann und sagte leise:
„Willkommen, Ashleigh, meine Liebe."
Ashleigh murmelte: „Wie reizend von Ihnen, Contessa, uns hier willkommen zu heißen. Vielen Dank."
„Unsinn, meine Liebe", sagte Maria. „Ich bin diejenige, die sich dafür zu bedanken hat, daß ihr endlich, nach all den Jahren, zu einer alten Freundin zu Besuch gekommen seid."
Patrick stellte Megan vor und fügte hinzu, sie sei seine Verlobte. Auf Ashleighs Bitte hin hatte er in dem an die Hausherrin vorausgeschickten Brief nicht erwähnt, daß die Schwester Brett geheiratet hatte und in welcher Beziehung sie jetzt zu ihm stand. Auch er war der Meinung gewesen, man müsse diese Mitteilung persönlich machen und den Zeitpunkt dafür sorgfältig wählen. Daher fungierte Ashleigh jetzt, wie der Butler sie auch angekündigt hatte, nur als Miss St. Clair.
Nachdem Maria gehört hatte, daß Patrick mit Miss O'Brien verlobt sei, umarmte sie entzückt die junge Irin. „Oh, welch wundervolle Neuigkeit!" rief sie. „Ich kann es nicht erwarten, alle Einzelheiten zu hören." Maria wandte sich zu Ashleigh um, und ihre Miene wurde ernster. „Und auch die dich betreffenden, meine Liebe. Mir ist klar, daß Patrick keinen langen Brief schreiben konnte, aber wenn du glaubst, daß ich es noch länger aushalten kann, nicht zu wissen, was dir in all den Jahren widerfahren ist, dann bist du im Irrtum. Doch nun kommt! Ihr müßt von der Reise müde sein. Enrico wird euch eure Zimmer zeigen. Ruht euch aus und erfrischt euch.
Zum Dinner treffen wir uns auf der westlichen Veranda. Und ich warne euch!" fügte Maria hinzu und drohte gutmütig den Gästen mit dem Zeigefinger. „Ich werde nicht eher zufrieden sein, bis ich alle Einzelheiten erfahren habe."
Einige Stunden später saßen die Contessa und ihre Gäste in bequemen Sesseln auf der geräumigen Veranda, von der
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