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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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Traum gewesen wäre.
    In der Nacht war alles ruhig. Die Erscheinung ist nicht zurückgekehrt.
    Michel war da. Pierre hatte kurz zuvor das Haus verlassen, um auf die Jagd zu gehen.
    Als ich Michel begrüßte, fragte er mich, ob ich den Abend des Vierten, als wir bei ihm waren, nicht in allzu schlechter Erinnerung behalten hätte.
    Ich habe ihn einfach ausgelacht. »Lachen solltest du wirklich nicht darüber«, sagte er sehr ernst.
    »Hör mal, Michel, du hast mich ganz schön hereingelegt. Ich habe wirklich angefangen, an diesen Unfug zu glauben. Inzwischen bin ich aber wieder vernünftig geworden.«
    Er schien sehr überrascht. Nach kurzem Schweigen sagte er:
    »Suzanne, es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.«
    »Hör zu, Michel, ich mag über das alles nicht mehr sprechen. Wenn du nichts anderes im Sinn hast, dann geh lieber wieder.«
    »Ich muss aber mit dir darüber sprechen.«
    »Nein, ich will nicht.«
    »Aber es muss sein.«
    »Bitte, Michel, hör auf.«
    Er sah mich an. Und plötzlich wusste ich, dass ich mich mit meinem Schicksal abfinden musste. Dabei war es doch Tag. Der Sonnenschein fiel durch die Fenster des Wohnzimmers.
    Ich hätte ihn einfach dort sitzen lassen und die Flucht ergreifen sollen, aber ich tat es nicht.
    »Suzanne, heute Nacht wird er wiederkommen.«
    »Wer denn?« fragte ich.
    »Er, der dir auch das letzte Mal erschienen ist.«
    Ich habe nichts erwidert, sondern habe mich nur in einen Sessel sinken lassen. Meine Beine vermochten mich nicht mehr zu tragen.
    »Woher weißt du das?« fragte ich mit schwacher Stimme.
    »Ich weiß es eben.«
    Den ganzen Nachmittag musste ich immer wieder an seine Worte denken.
     

     
    Pierre ist am Abend bald eingeschlafen, doch ich fand keine Ruhe. Es dauerte nicht lange, bis ich die unheimliche Stimme hörte:»Suzanne …«
    Der Blick der leeren Augenhöhlen war auf mich gerichtet. Die Erscheinung war deutlich an der Wand zu sehen.
    »Bald …« sagte die Stimme. »Bald gehörst du mir.«
    Ich wollte fliehen, einfach davonlaufen, aber ich war unfähig, ein Glied zu rühren.
    »In der Nacht vom 3. zum 4. Februar komme ich dich holen«, sagte die Erscheinung.
    Nein, das darf nicht sein! Ich will nicht sterben!
    Die Erscheinung näherte sich mir.
    Jetzt spürte ich die eisigen Knochenarme, die meinen Leib umschlangen,. Vergeblich versuchte ich sie zurückzustoßen, aber meine Hände griffen in die Luft.
    Mein Entsetzensschrei weckte Pierre auf.
    »Suzanne, was hast du denn?«
    Ich konnte keine Antwort geben. Meine ganze Aufmerksamkeit war der Erscheinung zugewandt, gegen die ich mich zur Wehr setzen musste.
    Pierre begriff nicht, was vor sich ging. Er zog mich in die Arme und streichelte mich. Ich stieß ihn zurück, weil er mich daran hinderte, die Erscheinung abzuwehren.
    »Suzanne!«
    Seine Stimme tat mir gut, aber ich hörte sie nur wie aus weiter Ferne.
    Schließlich löste die Erscheinung sich auf.
    »Ich komme wieder«, waren ihre letzten Worte. »Du musst dich an mich gewöhnen.«
    Dann war der Spuk zerronnen.
    Völlig erschöpft bin ich in die Kissen zurückgesunken. Pierre versuchte, mich zu beruhigen. Er zog mich in die Arme und küsste mich.
    »Du Arme! Du hast einen schrecklichen Alptraum gehabt«, sagte er.
    Es ist am besten, ihn einfach daran glauben zu lassen, sagte ich mir.
    Bald darauf war er wieder eingeschlafen. Ich stand leise auf und schlich in die Küche hinunter. Dort setzte ich mich an den Tisch, um weiter in mein Heft zu schreiben.
     

     

Seitdem ist er immer wiedergekommen. Jede Nacht ist er bei mir erschienen, und nun kommt er schon mehrmals.
    Jetzt bleibt er nie fern von mir, sondern kommt sofort ganz nahe. Er nimmt meine Hand. Ein Schauder läuft mir dabei über den Leib.
    Sobald sein grauenvoller Mund sich dann auf den meinen drückt, verliere ich die Besinnung.
    Wenn ich wieder zu mir komme, ist er immer noch da. Eisige Kälte geht von ihm aus. Ich bin so schwach und elend, als habe man mir die Lebenskraft aus den Adern gesogen.
    Seine ekelhaften Arme umschlingen mich. Der widerliche Geruch, der von ihm ausgeht, ist kaum zu ertragen. Bei seinen Küssen würde ich lieber sterben, als sie erdulden zu müssen.
    Pierre versteht nicht, was mit mir vorgeht. Er sieht mich verstohlen an, aber er kann ja nicht wissen, was geschehen ist.
    Ich bin sehr mager geworden. Inzwischen weiß ich, dass ich in der Nacht vom 3. zum 4. Februar gehen werde.
    Die Erscheinung braucht es mir nicht mehr zu sagen. Ich weiß es auch so.
    Pierre

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