0055 - Die Nacht der gelben Kutten
einfiel. Und der Leopard durchschaute diese List nicht.
Langsam setzte Zamorra zurück. Immer einen kleinen Schritt nur.
Aber der Leopard mußte annehmen, daß sein Gegner die Flucht ergreifen wollte. Er ließ sich täuschen. Er duckte sich tief, und Zamorra sah, daß er den Fluchtweg des Mannes mit einberechnete, daß er sich auf einen kolossalen Sprung konzentrierte.
Das hatte Zamorra geplant. Er beobachtete das Raubtier scharf, verfolgte jede Bewegung der Muskeln, die sich drohend spannten.
Und da war der Ansatz um Sprung.
Als die große Wildkatze vom Boden abhob, schnellte Zamorra nach vorn. Damit hatte der Leopard nicht gerechnet.
Im geduckten Sprung unterlief Zamorra das Tier und stieß ihm das doppelschneidige Buschmesser in den Leib, als der mächtige Körper der Katze hoch über ihm hinwegflog. Dann machte er eine blitzschnelle Drehung. Er hörte das Schmerzensgeheul der Katze und war schon hinter ihr her. Der gewaltige Satz mußte das Tier fast zehn Meter weit getragen haben.
Als die vier kräftigen Pranken sich förmlich in den Boden gruben, war Zamorra über dem Leoparden. Zweimal stieß er zu, dort, wo er die Mitte zwischen den obersten beiden Halswirbeln vermutete.
Der Leopard riß das Maul auf, legte sich zur Seite und schnappte plötzlich zu. Aber Zamorra war auf der Hut. Er hatte die Bewegung kommen sehen.
Schnell wich er zurück, aber nur für weniger als eine Sekunde.
Dann warf er sich erneut auf das verwundete Tier, dessen wilde Bewegungen jetzt unberechenbar wurden.
Mit zwei schnellen Hieben ließ Zamorra das rasierklingenscharfe Buschmesser in den Leib des Leoparden eindringen. Einmal in die Brust, ein zweitesmal in die Kehle.
Röchelnd legte sich die Raubkatze auf die Seite und blieb regungslos liegen. Zamorra erhob sich und wischte sich den Staub des Kampfes von seinem Kakhizeug, das er für den Dschungelgang gewählt hatte.
Da erst kam wieder Leben in Nicole und den Führer Shandri. Sie hatten dem ungleichen Kampf atemlos zugesehen, und sie hatten erlebt, wie das Kombinationsvermögen des Menschen die Kraft und Wendigkeit einer Raubkatze besiegen konnte.
Shandri trat zu dem Leoparden und schnitt ihm mit einer Kante seiner Machete drei der spitzesten Zähne aus.
Er gab sie Nicole.
»Für die Miß«, sagte er. »Sie müssen die Zähne tragen immer bei sich. Sie bringen Mut und Kraft, Miß.«
Nicole atmete auf und konnte ihm sogar dankbar zulächeln. Dann nahm sie die Zähne und steckte sie in die obere Tasche ihrer Kakhijacke.
»Weiter«, sagte Zamorra. Er war ungeduldig. Er war nicht in den Regenwald gegangen, um einen Leoparden zu erlegen. Er hatte grimmigere, grausamere Gegner vor sich. Und er mußte sie erst noch aufspüren.
Shandri ahnte, was in dem fremden Professor vorging. Er wollte gerade in Lobeshymnen über den Sieg Zamorras ausbrechen. Aber da sah er, wie der Professor seinen Weg verbissen fortsetzte.
Er folgte ihm und Nicole ohne ein Wort. Aber sein Stolz, der Führer eines solchen Mannes zu sein, war enorm gestiegen. Was war das für ein mutiger Mann, der gegen die Geister der Shuris anzutreten wagte, und der ganz nebenbei einen Leoparden fällte, als hätte er nur eine lästige Fliege erledigt.
Nach einer Stunde fanden sie sich auf dem Ende des Weges wieder, den Batak mit seinem jungen Opfer Manika gegangen war.
Da hörten sie das Rauschen des Wasserfalles. Und wieder war es Shandri, der über die seherischen Gaben des Professors staunte.
Aber auch Zamorra gelang es nicht auf Anhieb, die schmale Hängebrücke über der jähen Schlucht ausfindig zu machen. Man rechnete einfach nicht damit, daß man mit Hilfe einer Hängebrücke über den reißenden Wasserfall gelangen konnte. Und über den kleinen See, den er unten in der Schlucht bildete.
Und trotzdem spürte Zamorra, daß er den Geistern der Shuris, den Gelben Furien noch nie so nahe gewesen war wie in dieser Minute.
Er sah sich um. Und er entschloß sich sofort, das Gelände zu erkunden.
»Das Gebiet ist zu groß«, stellte er fest. Nicole und Shandri hörten ihm aufmerksam zu.
»Ich vermute den Tempel der Shuris hier ganz in der Nähe. Er kann im Berg untergebracht sein, und er kann sich auch an einer dichten Stelle des Dschungels befinden. Es ist sogar möglich, daß wir ihn auf dem Grund des Sees zu finden haben. Nun ist es nicht einmal schwer, einen Tempel zu finden, selbst wenn er unter Wasser liegen würde. Schwierig ist es, die geheimen Eingänge zu finden. Erfahrungsgemäß sind sie erstens
Weitere Kostenlose Bücher