0057 - Die Attentäter
Verbannten beendet war.
Seit Fraudys Erscheinen war eine Wandlung mit Mullon vor sich gegangen. Er begriff plötzlich, daß mit der Verurteilung seine Verantwortlichkeit als Führer der Aufrechten Demokraten nicht erloschen war. Zwar gab es keine Aufrechten Demokraten mehr, aber da waren viertausend Männer, die ihn, Mullon, als die oberste Instanz betrachteten.
Mullon kannte Hollander und seinen Ehrgeiz. Er wußte, daß Hollander versuchen würde, alle achttausend Mann unter sein Kommando zu bringen. Die Aufrechten Demokraten würden ihm ein willenloses Opfer sein, wenn sich Mullon nicht um sie kümmerte.
Offensichtlich war die Beibehaltung der bisherigen Ordnung durchaus im Sinne der Richter und derer, die das Urteil vollstreckten. Denn als Mullon um die Überlassung der großen Mannschaftsmesse für eine Versammlung bat, erfüllte man ihm diesen Wunsch gern.
Mullon lud auch die Naturphilosophen zu dieser Versammlung ein. Aber Hollander ließ mitteilen, er und seine Leute seien noch mit dem Einrichten beschäftigt. Der Vorwand war so fadenscheinig, daß jedermann unschwer erkennen konnte, die Naturphilosophen dächten gar nicht daran, ihre Rolle als gesonderte Partei aufzugeben.
Mullon sprach darüber in der Versammlung. Der Spione der Naturphilosophen nicht achtend, die sich ohne Zweifel unter seinen Leuten befanden, mahnte er zur Wachsamkeit und sprach von Hollander als einem Mann, der sich dem Verdacht aussetze, das Gebot der Stunde, nämlich den festen Zusammenhalt und die Aufgabe aller kleinlichen Streitigkeiten, nicht erkannt zu haben.
Mullon schlug vor, daß von einem Ausschuß, der noch zu wählen war, ein Verfassungsentwurf ausgearbeitet werden sollte, und der Vorschlag wurde beifällig angenommen. Mullon regte weiterhin an, eine Art Polizei zu schaffen, die während des Fluges auf die Naturphilosophen und nach der Landung erstens auf diese, zweitens auf die Sicherheit des Verbanntenlagers zu achten habe. Auch diese Anregung nahm man an.
Schließlich suchte Mullon unter seinen Leuten einen Priester oder Standesbeamten und fand beides. Er verhehlte nicht, daß er dies privat tue, und ließ sich noch vor den Versammelten mit Miss Fraudy Nicholson trauen.
Das Eigenartige war, daß die Aufrechten Demokraten, die um Fraudys Rolle sehr gut wußten, Mullons Frau vom ersten Augenblick an akzeptierten. Was Fraudy getan hatte, welches Schicksal sie auf sich genommen hatte, um den Verrat an Mullon zu sühnen, war durch Gerüchte längst im ganzen Schiff bekannt. Mullon brauchte seine Autorität nicht mehr in die Waagschale zu werfen.
*
Als Mullon und Fraudy von der Versammlung zu ihrer Kabine zurückkehrten, wartete dort ein Mann auf sie, den Mullon niemals zuvor gesehen hatte. Er stand vor der verschlossenen Tür und hielt einen Briefumschlag in der Hand. „Sind Sie Mr. Mullon?" fragte er. Mullon nickte.
„Ja. Und Sie?"
„Tut nichts zur Sache. Ich bin von Mr. Hollander geschickt worden und habe Ihnen diesen Brief zu übergeben."
Er reichte Mullon den Umschlag und verschwand.
In Gedanken versunken und damit beschäftigt, den Brief zu öffnen, betrat Mullon hinter Fraudy die Kabine. Er zog das dreifach zusammengefaltete Blatt heraus und begann zu lesen. Fraudy sah, wie sich beim Lesen sein Gesicht veränderte. Zunächst war es verwirrt, dann sah es zornig aus, schließlich verzog es sich zu boshaftem Grinsen, und als Mullon den Brief aus der Hand legte, da lachte er lauthals.
„Hollander will, daß wir dich ausliefern!" rief er. „Mich?" fragte Fraudy erstaunt. „Nimm und lies!" Fraudy nahm den Brief auf und las: Der Rat der Asozialen Freien Siedler (Hollander fand diese Bezeichnung für die achttausend Verurteilten anscheinend so schön, daß er sie weiterhin benutzte) hat beschlossen: Miss Fraudy Nicholson, Geheimagentin im Dienste des Diktators Rhodan, ist vor ein Siedlergericht zu stellen und wegen Verrats an der Sache der Aufrechten Demokraten und der Naturphilosophen zu verurteilen.
Der Rat der Asozialen Freien Siedler fordert diejenigen, die diese Frau unverständlicherweise bei sich beherbergen, auf, sie unverzüglich auszuliefern und dem Rat zu übergeben. Gezeichnet: Hollander, Vorsitzender Des Rates der Asozialen Freien Siedler „Was wirst du tun?" fragte Fraudy ängstlich. Mullon lachte. „Hollander sagen, er soll sich mit seinem asozialen Rat zum Teufel scheren, und wie ich meine Leute kenne, wird jeder von ihnen beistimmen."
In aller Eile schrieb Mullon einen
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