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0057 - Finger weg von solchen Sachen

0057 - Finger weg von solchen Sachen

Titel: 0057 - Finger weg von solchen Sachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Kobusch
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mich vor der Versuchung bewahren, hineinzusehen. Wir hätten es nicht gewagt, solange Joe lebte, und jetzt soll es erst recht nicht geschehen. Es wird mit ihm begraben werden, damit er seine Geheimnisse mit sich ins Grab nehmen kann.«
    Irgendwie rührte mich diese trotzige Sauberkeit und Ehrenhaftigkeit dieses bärbeißigen Charakters.
    Ich sagte nichts. Ich sah ihn nur an. Er zögerte und sah auf das Heft. Dann schob er es plötzlich über den Tisch in meine Hände und sagte: »Vielleicht finden Sie darin einen Hinweis auf seinen Mörder. Ich glaube, Joe würde verstehen, daß ich Ihnen das Heft leihe. Er war immer sehr für Gerechtigkeit. Und es gehört zur Gerechtigkeit auf der Welt, daß ein Mord gesühnt wird.«
    Ich mußte mich räuspern, bevor ich leise sagen konnte: »Danke.«
    Er wischte meinen Dank mit einer Handbewegung hinweg.
    »Was — was ist denn mit Margy?« fragte er. »Weiß sie es schon? Ach so, entschuldigen Sie. Ich dachte schon last, Sie wären ein alter Bekannter von uns. Sie können ja Margy gar nicht kennen.«
    »Doch«, sagte ich. »Ich habe ihr Bild in Joes Brieftasche gesehen und ihre Adresse aus seinem Notizbuch entnommen.«
    »Waren Sie bei ihr? Verdammt, tut mir das Mädel leid. Sie liebte Joe, und er liebte sie. Mutter und ich haben uns immer gefreut über das feine Paar, das die beiden abgaben. Seit sie sich das erstemal hier bei uns trafen, hatten wir immer den Eindruck, als wären die beiden richtig füreinander gemacht gewesen. Es war ganz selbstverständlich, daß sie zueinander gehörten. Man spürte es in jeder Geste, die die beiden machten, in jedem Blick, den sie sich zuwarfen. Dreck, verfluchter!« schrie er plötzlich. »Und dann kommt irgendein Bandit,, ein Saukerl von einem Gangster, und knallt mir meinen Joe über den Haufen! G-man, wenn Sie diesen Hund nicht finden! Wenn Sie ihn nicht finden, ich nehme meinen 45er und suche den Hund selbst! Und ich schlage ihn mit meinen bloßen Fäusten tot; Ich schlage ihn tot!«
    Es war aus ihm herausgebrochen wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und er tobte sich nun aus wie ein urwüchsiger Orkan. Ich ließ ihn toben, weil ich wußte, daß es ihm guttun würde. Kein Mensch kann alles immer nur in sich hineinwürgen.
    Es hatte etwas Erschütterndes, dieses Bild zu sehen, wie ein Hüne von einem Mann zuerst tobte und dann langsam anfing zu schluchzen, plötzlich leise wurde und auf einmal wie ein kleines, hilfloses Kind weinte.
    »Vom Schuhputzer hab’ ich mich hochgeschuftet«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Mutter hat für die arrogante Blase in der Fünften die dreckige Wäsche besorgt und jede Dreckarbeit gemacht, die ihr angeboten wurde. Wir haben Cent auf Cent weggelegt, bis wir unser Geschäft anfangen konnten. Zwei. Tage vor der Niederkunft hat Mutter noch im Laden gestanden. Ich habe fünf Stunden am Tag geschlafen und die übrige Zeit geschuftet. Joe sollte es leichter haben. Diesen Cent noch für Joe, und diesen Dollar noch auf die Kante, damit Joe studieren kann oder was er eben anfangen will. Und jetzt? Jetzt ist das alles für die Katz. Alles umsonst. Alles umsonst, weil irgendein Vieh meinen Jungen im Krankenbett abknallt wie einen räudigen, tollwütigen Hund. Oh, lieber Gott, verzeih mir, wenn ich je darüber hinwegkomme .. Ich schwieg. Was hätte ich sagen sollen? Sitzen Sie mal einem Vater in so einer Situation gegenüber. Alles, was man empfindet, ist eine grenzenlose Wut auf die skrupellosen, gewissenlosen Banditen, die ein Menschenleben nur für wertvoll halten, wenn es ihr eigenes, erbärmliches, dreckiges Dasein ist. Nach einer Weile kippte sich Backley einen neuen Whisky hinunter. ,,’tschuldigung«, brummte er. »Passiert nicht wieder.«
    Ich schob ihm eine Zigarette hin. Er nahm sie, und ich hielt ihm Feuer hin.
    »War Joe mal in Geldverlegenheit?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nicht, das ich wüßte.«
    »Wieviel Taschengeld gaben Sie ihm?«
    »Überhaupt keins mehr. Er wollte es nicht.«
    »Aber er mußte doch ein bißchen Geld haben?«
    »Er verdiente es sich selbst, was er brauchte.«
    »Auf welche Weise?«
    »Er schrieb für ein paar Zeitungen hier über lokale Ereignisse.«
    »Welche Zeitungen?«
    Er nannte die Namen einiger Lokalblätter, und ich notierte sie.
    »Wissen Sie, was er durchschnittlich dabei pro Woche verdienen konnte?«
    »Genau nicht. Er sprach mal davon, daß er jede Woche auf zwanzig Dollar käme. Manchmal auf mehr.«
    »Wollte er Journalist werden?«
    »Ja.

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