006 - Der Teufelskreis
soeben in dem Lokal ein Blutbad sondergleichen angerichtet hatten.
Die sechs Dämonen verschwanden lautlos in der Nacht.
Howard Ball lehnte das Angebot seiner Freunde, ihn ein Stück zu begleiten, ab. »Nicht nötig«, sagte er. »Mein Chauffeur wartet mit dem Wagen an der nächsten Ecke.«
Tatsächlich aber war es ihm lieber, wenn ihn niemand in Begleitung dieser verlotterten und verwachsenen Männer sah. Er winkte ihnen diskret zu und fuhr dann mit dem Elektro-Rollstuhl über den Gehsteig zur nächsten Kreuzung. Die Passanten wichen ihm zuvorkommend aus, damit er freie Fahrt hatte. Er bedankte sich mit einem Lächeln, das auf seinem knochigen Gesicht wie eingefroren wirkte. Seine Gedanken beschäftigten sich mit den Vorkommnissen bei der Versammlung. Er würde die Frist von vierundzwanzig Stunden einhalten, die Tim Morton verlangte, das war er schon Sid schuldig, aber dann würde er mit allen Mitteln dafür eintreten, daß endgültig mit den Dämonen in New York aufgeräumt wurde.
Vor ihm tauchte eine Absperrung auf. Eine Tafel warnte: Achtung Kanalarbeiten! Howard Ball wollte der Absperrung ausweichen, aber der Rollstuhl ließ sich auf einmal nicht mehr lenken. Er fuhr geradewegs auf die Absperrung zu, hinter der sich ein offener Kanalschacht befand. Ihm brach der Schweiß aus. Er versuchte, den Elektromotor abzustellen. Doch auch das gelang ihm nicht, im Gegenteil, der Rollstuhl wurde immer schneller. Die Passanten starrten ihm verwundert nach.
»Hilfe! So helft mir doch!« schrie er. Aber die Passanten standen bewegungslos da. Der Rollstuhl durchbrach die Absperrung und kippte dann über den Schachtrand. Er verklemmte sich drei Meter tiefer im Schacht. Howard hatte sich instinktiv an den Lehnen festgehalten und hing in der Luft. Er schrie verzweifelt um Hilfe, weil er spürte, wie ihn die Kräfte verließen, aber niemand kam, um ihn aus seiner verzweifelten Lage zu befreien.
Er wußte, daß er sich nicht mehr lange halten konnte.
Sid erreichte einen Kanalschacht. Tim Morton hob zusammen mit Dorian den Deckel ab. Gerade als das Kellergewölbe endgültig einstürzte, zwängte sich Tim Morton hinter der beiden anderen in den Schacht. Er konnte sogar noch den Deckel über die Öffnung ziehen.
Über ihnen ertönte ein Getöse, als würde die Welt untergehen. Der Schacht erbebte, und Staub rieselte durch die Ritzen. Sie wagten erst aufzuatmen, als alles vorbei war. Hintereinander stiegen sie die in die Wand eingelassene Eisenleiter hinunter. Als sie den Abflußkanal erreichten, übernahm Sid die Führung. Er schien sich in der Kanalisation gut auszukennen, denn obwohl absolute Dunkelheit herrschte, ging er zielstrebig weiter und zeigte nie irgendeine Unsicherheit. Nach einer Weile bog er nach links in einen Seitenkanal ab. Als Dorian ihm folgte, sah er, daß zehn Meter vor ihnen ein Lichtstrahl von oben herabfiel. Die Geräusche der Straße drangen gedämpft zu ihnen herunter.
Und dann ertönte ein langgezogener Schrei. Ein dunkler Körper fiel von oben in das knöcheltiefe Wasser. Als Sid ihn erreichte, blieb er kurz stehen, um den Toten zu betrachten.
»Der Krieg hat bereits begonnen und sein erstes Opfer gefordert«, sagte er bedrückt und ging weiter. »Wir können Howard nicht mehr helfen.«
Dorian besah sich den Toten. Er erkannte in ihm den Mann im Elektro-Rollstuhl. Seine Beinprothesen lagen wie Puppenglieder neben ihm.
Nachdem sie etwa eine halbe Stunde kreuz und quer durch das Kanalnetz gegangen waren, kletterte Sid einen Schacht hinauf. Sie landeten im Hinterhof eines mehrstöckigen Hauses und kletterten über eine niedrige Mauer auf das Nachbargrundstück. Gleich hinter der Mauer lag eine langgestreckte, verlassen wirkende Halle. Sid öffnete eine Eisentür, die nur angelehnt war, und sie traten in das Innere der Fabrikhalle, in der verrostete und halb demontierte Maschinen standen, deren Zweck Dorian nicht ergründen konnte. Sid führte sie in den hinteren Teil, wo sich hinter Gerümpel und Maschinenteilen verborgen eine Tür befand, die in einen fensterlosen Raum führte. Er schaltete das Licht an, und Dorian stellte überrascht fest, daß der Raum recht wohnlich eingerichtet war. Auf der einen Seite standen drei Stockbetten, daneben ein großer, hoher Holztisch mit einem halben Dutzend Stühlen und einer Holzbank darum. Außerdem gab es noch einen Kleiderschrank und eine Kochnische mit Kühlschrank und fließendem Wasser.
»Hier können wir uns erst einmal von dem Schock erholen«, meinte
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