006 - Ende eines Quellherren
zu entziehen.«
»Ich werde niemanden aufhetzen«, entgegnete Trinon. Sein Gesicht hatte sich gerötet. »Ich sagte doch, auf mich ist Verlass. Der Clan existiert nicht mehr.«
Der Wachserführer erhob sich. »Wirklich?«, fragte er zweifelnd. »Ich an deiner Stelle würde ihm helfen wollen. Nein, ich gehe lieber selbst. Aber ich warne dich; entkommt Tritar, wirst du für ihn büßen.«
Die Tür schloss sich hinter Olmish. Tritar nahm auf dem frei gewordenen Stuhl Platz; sein ehemaliger Untergebener duldete es schweigend.
Die Stille lag schwer im Raum. Scheinbar unbeachtet lag das Lichtgewehr neben Trinon; doch ehe Tritar die Waffe erreicht hätte, hielte sein Clansträger sie längst wieder in der Hand.
Tritar richtete den Blick auf seinen Untergebenen.
Nach einigen Sekunden senkte der kleine, schwarzhaarige Mann den Kopf, rutschte auf seinem Platz herum und räusperte sich.
»Es gibt den Triten-Clan nicht mehr«, brach Trinon das Schweigen. »Die alten Regeln gelten nicht mehr zwischen uns.«
Er zögerte. Dann: »Du musst ihn verstehen«, setzte Trinon nach, »die Arbeit auf den Feldern laugt ihn aus. Er ist verbittert und voller Hass.« Der Schwarzhaarige lehnte sich an das Fenster, ohne den Gefangenen dabei aus den Augen zu lassen. »Er tritt die, die unter ihm stehen und das sind nur die Geächteten.«
»Er scheint Tremish sehr ergeben. Wirklich ergeben ist man jedoch nur, wenn man auch zufrieden ist.«
»Ach, was weißt du denn schon.« Trinon warf verärgert den Kopf zurück. »Dir da oben kommt die Welt vielleicht heil vor, aber in Wahrheit sind die Clans für die Mitglieder jahrhundertealte Fesseln, die immer nur Folgsamkeit und Zufriedenheit mit den Entscheidungen der Quellherren verlangen, sollten sie auch noch so ungerecht sein.« Er wechselte auf die andere Seite des Raumes und lauschte. »Welche Arbeit wir zugeteilt bekommen, welche Frauen, ja, sogar, ob wir überhaupt in den Clans verbleiben dürfen, all das hängt einzig von den Launen derer ab, die von den uralten Gesetzen an der Macht gehalten werden.«
Er ist ein Rebell , dachte Tritar halb belustigt. Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Dann hätte ich ihn schon im Zaum gehalten.
»Missbrauchen wir unsere Macht wirklich derart?«, fragte er ironisch. »Mir scheint, die meisten Clansmitglieder sind mit ihren Fesseln ganz zufrieden.«
»Zufrieden?«, fragte der kleine Mann und riss die Tür auf. Einem Messer gleich brach ein Schwall von Geräuschen über Tritar herein. Heiseres Geschrei. Schwere Schritte. Laute Zurufe.
Der Wächter schloss die Tür wieder. »Shabran feiert«, erklärte er. »Shabran feiert den Untergang einer alten Familie. Und die Bürger jagen die Namenlosen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben.«
»Doch warum mich?«, entgegnete Tritar beunruhigt. »Ich hatte viele Freunde. Und ich habe immer versucht, meine Clansmitglieder zufrieden zu halten.«
Trinon lachte spöttisch auf. »Was verstehst du schon! Nicht von deinem Willen hängt ab, wie wir uns fühlen. Entscheidend ist das Gefühl, abhängig zu sein, immer nur das tun zu müssen, was andere verlangen, deren Entscheidungen immer ohne Widerspruch hinnehmen zu müssen.«
»Ich möchte die Clansträgerin Zeta noch einmal sehen«, wechselte Tritan abrupt das Thema. »Kannst du mir helfen, zu ihr zu gelangen?«
Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. »Dir ist nicht zu helfen. Du willst einfach nicht verstehen.« Er winkte Tritar an das Fenster heran. »Die Stadt ist ein Hexenkessel. Alle befinden sich auf der Jagd nach dem berühmtesten Namenlosen der letzten Jahre. Tritar heißt er. Ergreifen sie ihn, wird er kastriert, erschlagen, gesteinigt oder gehängt. Vielleicht auch alles zusammen. Erkennst du jetzt die unterdrückte Gewalt, die die Shabraner sonst nicht zeigen dürfen?« Er hielt dem ehemaligen Quellherren das Lichtgewehr hin. »Schlag mich damit nieder. Flieh.« Er lauschte. »Falls es nicht zu spät ist. Olmish hat die ganze Stadt in Aufruhr versetzt.«
»Komm mit mir«, bat Tritar. »Hilf mir, in Shans Mund ein würdiges Ende zu finden.«
»Das steht nur den Quellherren zu«, wehrte der Schwarzhaarige ab. »Ich bin dir nicht mehr als Clansmann verbunden. Hätte ich nicht jemandem versprochen, dir zu helfen, ließe ich dich auch nicht entkommen.«
Nur zögernd schlug Tritar zu, doch aufgeregtes Stimmengewirr, das sich der Tür näherte, ließ ihm keine andere Wahl. Er schwang sich durch die Deckenluke und konnte sie gerade noch
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